Ungarn baut eifrig an seinem Grenzzaun zu Serbien. Die Anrainerstaaten beobachten das mit gemischten Gefühlen. Sie befürchten, dass die Flüchtlingsströme dann einfach andere Wege nehmen und bei ihnen zum Problem werden.

Korrespondenten: Thomas Roser (tro)

Stuttgart - Noch scheint Ungarns wachsender Grenzzaun zu Serbien die nach Mitteleuropa drängenden Flüchtlinge kaum zu beeindrucken. Doch mit Sorgen verfolgen die Anrainer der sogenannten Balkanroute die fortschreitenden Bauarbeiten an dem Grenzwall: Bei dessen Fertigstellung müssen sie zumindest eine teilweise Umleitung der Flüchtlingsroute durch eigenes Staatsgebiet fürchten.   Ob Kroatien oder Bosnien-Herzegowina, Rumänien oder Bulgarien: Fast alle Staaten in Südosteuropa, die sich derzeit hektisch für kräftig erhöhte Zahlen von Flüchtlingen wappnen, gelten bis jetzt eher als Emigrations- denn als Immigrationsländer.

 

Eine nennenswerte Zahl von Transitflüchtlingen hat seit 2013 nur Bulgarien zu beherbergen.  Doch nicht nur wegen der verstärkten Überwachung und des Baus eines 30 Kilometer langen Zauns an der EU-Außengrenze zur Türkei hielt sich der Andrang mit 9200 Asylanfragen in den ersten sieben Monaten des Jahres noch in Grenzen: Da Asylbewerber von den EU-Partnern nach Bulgarien abgeschoben werden – anders als im Falle Griechenlands –, machen viele Flüchtlinge um den Balkanstaat lieber einen Bogen.   Doch mit Budapests Abriegelung der Grenze zu Serbien könnte die Route über Bulgarien und Rumänien zu Ungarns Ostgrenze zur kürzesten Alternative werden.

Panzer an der Grenze

Letzte Woche ließ Sofia bereits Panzerfahrzeuge an die Grenze zu Mazedonien verlegen. Es handle sich um eine „vorsorgliche Maßnahme“, die „verstärkt“ werden könne, so ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Vor einem „ernsthaften Flüchtlingsproblem“ dürfte der EU-Habenichts nach Ansicht der Zeitung „Sega“ aufgrund seiner schlechten Wirtschaftslage aber bewahrt bleiben: „Bulgariens Lebensstandard ist so niedrig, dass selbst Kriegsflüchtlinge von unserer bescheidenen Gastfreundschaft keinen Gebrauch machen – und das Land so schnell wie möglich verlassen.“

Nur wenige Hundert Asylbewerber pro Jahr zählt bislang Rumänien. Doch die 443 Kilometer lange Schengengrenze mit Ungarn muss den Karpatenstaat eine verstärkte Einreise von Flüchtlingen fürchten lassen, die den Grenzzaun zu Serbien umgehen. Innenminister Gabriel Oprea kündigte letzte Woche eine verstärkte Überwachung der Grenze zu Serbien an. Zwar stehe das Land noch nicht unter „Migrationsdruck“, doch wegen der „wachsenden Dynamik“ gelte es, Risiken einzuschränken und die Infrastruktur für Flüchtlinge „präventiv“ auszubauen.  

Slowenien fürchtet die Westroute

Eine neue Westroute über Kroatien fürchtet derweil das Schengenland Slowenien. Es gebe zwar noch keinen Migrationsdruck, „aber wir bereiten uns darauf vor“, so ein Sprecher des Innenministeriums. 72 Gebäude in Staatsbesitz hat Ljubljana bereits als etwaige Notaufnahmelager ausgewiesen. Selbst das bislang von ausländischen Flüchtlingen eher schwach frequentierte Bosnien und Herzegowina rechnet mit bis zu 20 000 aus Montenegro einreisenden Transitflüchtlingen.    

Trotz Ungarns 329 Kilometer langer Schengen-Grenze zu Kroatien gibt sich die mitten  im Wahlkampf steckende Mitte-links-Regierung in Zagreb hingegen erstaunlich gelassen.  Kroatien müsse mit keiner größeren Welle von Flüchtlingen rechnen, da es nicht zur Schengen-Zone gehöre, versichert Premier Zoran Milanovic. Kroatien könne keine Strategie ohne die EU entwickeln, „aber die EU hat leider noch keine“, verteidigt er gleichzeitig die eher laxen Vorbereitungen. Kroatien habe „keinerlei Plan“ für die Aufnahme und Unterbringung der Flüchtlinge, ärgert sich die Zeitung „Vecernji List“: „Die Regierung wartet vermutlich auf Anweisungen aus der EU – und die Kirche auf Vorgaben des Vatikans.“