Die Stadt Leinfelden-Echterdingen hat eine Untersuchung zur Flüchtlingsunterbringung abgeschlossen. Zwei von acht geeigneten Standorten erhalten die Note empfehlenswert.

Leinfelden-Echterdingen - Die Große Kreisstadt wäre in der Lage, relativ kurzfristig mehrere Tausend Quadratmeter Fläche für den Bau von Sammelunterkünften zur Verfügung zu stellen. Das ist das Ergebnis einer Studie, die die Erste Bürgermeisterin Eva Noller am Dienstag im Technischen Ausschuss des Gemeinderats den Stadträten und der Öffentlichkeit im mäßig besetzten Kleinen Saal der Filderhalle vorgestellt hat.

 

Den Inhalt der 46-seitigen Untersuchung, an der seit Monaten gearbeitet wurde, hatte die Verwaltung streng geheim gehalten – so geheim, dass die Broschüre erst im Anschluss an den Vortrag ausgeteilt wurde. Ob die Infos, wie von Stadtrat Jürgen Kemmner (LE-Bürger/FDP-Fraktion) angeregt, im Internet für die Bürger zur Einsichtnahme veröffentlicht wird, „müssen wir prüfen“, sagte Noller.

Nach einheitlichem Raster bewertet

Insgesamt haben Mitarbeiter der Stadtverwaltung 18 kommunale Liegenschaften auf ihre Eignung als Standort für die Unterbringung von Flüchtlingen oder die sogenannte Anschlussunterbringung geprüft und nach einem einheitlichen Raster bewertet. Acht Flächen sind aus der Bewertung als grundsätzlich geeignet hervorgegangen (siehe unten). Vor zwei Jahren hatte ein Suchlauf nur den Standort in Oberaichen erbracht.

Weitere geeignete Flächen wurden verworfen, weil sie ein sogenanntes Kick-off-Kriterium erfüllen: sie liegen im Stadtteil Stetten. Dort sollen wie berichtet zum Jahresende 160 Flüchtlinge in das zur Sammelunterkunft umgebaute Hotel Nödinger Hof einziehen. Im Stadtteil Oberaichen, wo eine Unterkunft an der Steinbeisstraße bereits voll belegt ist, standen keine weiteren Grundstücke als Standort zur Debatte.

Renault-Gelände wird im Oktober frei

Sechs der acht ermittelten Standorte sind nach Einschätzung der Stadtverwaltung nur eingeschränkt für den Bau von Unterkünften geeignet. Keine Hindernisse macht das Planungsamt beim Renault-Areal an der Leinfelder Straße geltend. Dieses Gelände stehe, wenn Rewe nach dem Interimsverkauf im wahren Wortsinn seine Zelte dort wieder abbricht, von Oktober an zur Verfügung. Auf diesem Areal waren bereits in den 80er- und 90er-Jahren Asylbewerber in Containern untergebracht.

Neu im Rennen und uneingeschränkt tauglich ist eine Fläche, die durch die Verlegung der Stadtbahnlinie in Leinfelden entsteht. Dadurch wird entlang der Max-Lang-Straße ein Grundstücksstreifen nutzbar. Der nördliche Teil auf Höhe der Einmündung Maybachstraße, eigentlich als Ausgleichsfläche für die im Anschluss vorgesehene Gewerbeansiedlung gedacht, könnte für eine begrenzte Zeit zum Standort für Unterkünfte werden. Die Fläche ist von Januar 2016 an verfügbar.

Über die Konsequenzen wird noch entschieden

Die Ausschussmitglieder haben die Liste und das Untersuchungsergebnis zur Kenntnis genommen. Alle Fraktionen werden nun intern beraten. Bürgermeisterin Noller hat für die Sitzung des Verwaltungs-, Kultur- und Sozialausschuss am 4. März allerdings eine Vorlage angekündigt. In der Diskussion am Dienstag hat sich bereits abgezeichnet, dass die Fraktionen möglicherweise unterschiedliche Auffassungen in der Frage entwickeln, welche Konsequenzen aus der Expertise zu ziehen sind.

Kernfrage ist, ob dem Landkreis Esslingen Flächen für die Flüchtlingsunterbringung angeboten werden oder ob die Stadt zunächst selbst die Grundstücke mit Unterkünften für Asylbewerber belegt, die nach zwei Jahren die Sammelunterkünfte des Kreises wieder verlassen müssen. Diese sogenannte Anschlussunterbringung ist Aufgabe der Kommune. Leinfelden-Echterdingen plant für dieses Jahr in Oberaichen ein neues Gebäude. Dieses werde vor-aussichtlich komplett mit geduldeten Flüchtlingen belegt, sagte Bürgermeister Alexander Ludwig. Obdachlose könne man zurzeit nicht aufnehmen. Deshalb müsse man „sehr gut überlegen, ob wir dem Kreis etwas von uns aus anbieten“, sagte Ludwig.

Stadt will „sozialverträgliche Einheiten“

Auf Nachfrage der Freien Wähler sagten Noller und Ludwig, für Flüchtlinge kleinere Standorte mit bis zu 50 Personen zu bevorzugen. Ludwig sprach in diesem Zusammenhang von „sozial verträglichen Einheiten“. Dass dies im Widerspruch zur Unterbringung von 160 Flüchtlingen in Stetten stehe, wollte Ludwig nicht zugeben. Diese Größe sei nicht automatisch als sozial unverträglich anzusehen, solange man das wie vorgesehen mit einem „breiten Strauß an Maßnahmen“ begleite.

Ohne näher auf Details einzugehen, ist in der Sitzung bekannt geworden, dass die Stadt L.-E. mit dem Landkreis über den Verkauf zweier Mehrfamilienhäuser an der Lilienthalstraße in Echterdingen verhandelt. Dabei geht es nach Informationen unserer Zeitung um etwa ein Dutzend Wohnungen, Entscheidungen stehen noch aus. Stadtrat Bernd Stäbler (CDU) kritisierte den Umstand, dass die Stadt verhandelt. Er habe kein Verständnis dafür, „solange wir unsere eigenen Befindlichkeiten nicht befriedigen können“.

Mit Planungsrecht dagegengehalten

Auf frühzeitige Informationen aus Esslingen legt Walter Vohl (Freie Wähler) großen Wert. „So etwas wie in Stetten darf nicht noch einmal passieren.“ Bürgermeisterin Noller bestätigte Informationen von Erich Klauser (SPD), wonach es weitere private Angebote an den Kreis gegeben hat. „Wir konnten aber mit dem Planungsrecht dagegenhalten“, sagte Noller.

Acht Standorte stehen zur Auswahl

Echterdingen, Renault-Areal, Leinfelder Straße
Das Areal ist 9749 Quadratmeter groß, nur eine Teilfläche würde durch eine Unterkunft belegt. Anlagen für soziale Zwecke sind zulässig.Pluspunkte: Von Oktober an verfügbar, gut erschlossen, soziale Kontrolle möglich. War bereits Standort für Flüchtlingsunterkünfte. Minuspunkte: Randlage, Vermarktung wird erschwert.Bewertung: empfohlen.

Leinfelden, Max-Lang-Straße Nord
Die Grünfläche auf Höhe der Einmündung Maybachstraße ist 1793 Quadratmeter groß. Sie entsteht durch die Verlegung der U 5. Von Januar 2016 an befristet verwendbar.Pluspunkte: gut erschlossen, Geschäfte zu Fuß erreichbar, integrierte Lage, soziale Kontrolle gut möglich.Minuspunkte: Als Ausgleichsfläche vorgesehen.Bewertung: empfohlen.

Leinfelden, Max-Lang-Straße Süd
Die Fläche (12 750 Quadratemeter) verläuft entlang der Straße bis zur Zufahrt Bosch, entsteht durch Verlegung der U 5. Von Januar 2016 an frei.Pluspunkte: gut erschlossen, Geschäfte zu Fuß erreichbar, integrierte Lage, soziale Kontrolle gut möglich.Minuspunkte: Als Gewerbefläche geplant.Bewertung: nur bedingt empfohlen.

Leinfelden, Parkplatz Sportpark Goldäcker
Das Areal ist 1111 Quadratmeter groß, nur eine Teilfläche würde durch eine Unterkunft belegt. Baugenehmigung befristet möglich.Pluspunkte: gut erschlossen, zentral gelegen, Einkaufsmöglichkeiten erreichbar.Minuspunkte: nicht verfügbar (Parkplätze belegt), soziale Kontrolle bedingt möglich.Bewertung: nur bedingt empfohlen.

Musberg, Festplatz am Turnerweg
Das Areal ist 37 674 Quadratmeter groß, nur eine Teilfläche würde durch eine Unterkunft belegt. Baugenehmigung befristet möglich.Pluspunkte: sofort verfügbar, gut erschlossen, Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe.Minuspunkte: keine integrierte Lage, soziale Kontrolle nur bedingt möglich.Bewertung: nur bedingt empfohlen.

Musberg, Sonnenkinderhaus, Hölderlinstraße
Das Areal ist 2255 Quadratmeter groß, nur eine Teilfläche würde durch eine Unterkunft belegt. Baugenehmigung befristet möglich.Pluspunkte: zentrale Lage, gut erschlossen, Einkaufsmöglichkeiten erreichbar, integrierte Lage, soziale Kontrolle möglich.Minuspunkte: Standort nicht verfügbar.Bewertung: nicht empfohlen.

Leinfelden, Parkplatz am Sportzentrum
Das Areal ist 63 610 Quadratmeter groß, nur eine Teilfläche würde durch eine Unterkunft belegt. Baugenehmigung befristet möglich.Pluspunkte: Erschließung und ÖPNV noch vertretbar. Minuspunkte: soziale Kontrolle nur erschwert möglich. Stellplätze für Erweiterung Sportzentrum erforderlich.Bewertung: nur bedingt empfohlen.

Leinfelden, Schelmenäcker, Nordrand
Das Areal ist 5013 Quadratmeter groß, eine Baugenehmigung wäre im Gewerbegebiet zulässig.Pluspunkte: städtebaulich vertretbar.Minuspunkte: bestehende Pachtverträge, verfügbar erst von 2017 an, ÖPNV schlecht erreichbar, keine integrierte Lage, keine soziale Kontrolle.Bewertung: nur bedingt empfohlen.