Zuletzt kamen 1680 Flüchtlinge an einem Tag ins Land, es müssen dringend zusätzliche Erstaufnahmestellen errichtet werden. Die Arbeiten für 2000 Plätze in Stuttgart laufen.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Wer sich fragt, warum das Land nun auch in Stuttgart Flüchtlinge in Zelten unterbringen wird, sollte sich die Zugangszahlen vor Augen führen. Aktuell sind in Baden-Württemberg in 24 Stunden 1680 Asylbewerber angekommen – ein neuer Rekordwert. „Seit vier Tagen gehen die Zahlen stetig nach oben“, sagt Michael Brandt, Sprecher der Lenkungsgruppe Flüchtlingsunterbringung des Landes. Zum Vergleich: Als das Land vor wenigen Monaten erstmals für einige Wochen eine Notunterkunft in der Stadt einrichtete und einen Nebenbereich der Schleyerhalle nutzte, waren es 800 ankommende Flüchtlinge am Tag. Derzeit erreicht täglich ein Sonderzug aus Bayern das Drehkreuz Mannheim, von dort werden die Menschen auch auf andere Bundesländer verteilt; dazu kommen zehn Busse.

 

Deshalb laufen schon die ersten Arbeiten, dass die drei in Stuttgart neu geplanten Erstaufnahmestellen zeitig in Betrieb gehen können. In der Sporthalle der Universität Stuttgart auf dem Campus in Vaihingen steht das Thema Brandschutz auf der Tagesordnung, dort muss ein zweiter Fluchtweg angelegt werden, sodass Mitte November 150 Flüchtlinge vorübergehend einziehen können. Von Februar an benötigt die Hochschule die Halle wieder für die Abnahme von schriftlichen Prüfungen.

Sechs Messezelte für 1000 Flüchtlinge

Die Arbeiten in der ehemaligen Logistikhalle der Post an der Ehmannstraße am Rande der Gleisanlage der Hauptbahnhofs, wo das Land rund 1000 Flüchtlinge einquartieren will, laufen bereits. Dort werden Sanitäreinrichtungen verbessert und Rohrleitungen ertüchtigt oder zum Teil ersetzt. Überdies muss ein zweiter Fluchtweg angelegt werden. Die Halle, die auf mittlere Frist als Erstaufnahmestelle vom Land genutzt wird – der Mietvertrag läuft fünf Jahre – werde man Mitte bis Ende November belegen können, sagt Michael Brandt.

Am 5. November sollen die Arbeiten für den Aufbau von sechs Zelten – zwei größere und vier kleinere – im Reitstadion auf dem Wasen beginnen. Dies werde etwa zehn Tage dauern, sagte der Sprecher der Lenkungsgruppe Flüchtlingsunterbringung. Zunächst müsse Kies auf den Grund aufgebracht werden, bevor die Zeltböden aufgebaut werden können. Es handle sich um winterfeste, beheizbare Messezelte, wie sie derzeit auch in der Landeserstaufnahmestelle in Ellwangen sowie in der Unterkunft in Neustadt am Kocher verwendet werden. In diesen Zelten zu leben, sei „zumutbar“, sagt Brandt. „Die Leute sind darin ganz zufrieden“, davon hat er sich selbst überzeugt. Die beim Reitstadion in begrenztem Maße vorhandene Infrastruktur wird für die 1000 Flüchtlinge durch Sanitär- und Duschcontainer ergänzt.

Weitere 18 Systembauten beschlossen

Das Reitstadion, das bis Juni 2016 als Flüchtlingsunterkunft genutzt werden soll, befindet sich bekanntlich innerhalb der Einfahrstrecke von Daimler direkt am Neckar. Dies ist auch in diesem Fall kein Problem, da das Gelände eine eigene Zufahrt hat. Ein Sprecher des Automobilkonzerns erklärte auf Anfrage, man trage die Pläne mit: „Respekt, Toleranz und Menschlichkeit sind Grundwerte unserer Gesellschaft und unseres Unternehmen.“

Der Gemeinderat hat in seiner Sitzung am Donnerstag den Bau der fünften Tranche von Flüchtlingsheimen beschlossen. Danach sollen im kommenden Jahr an neun weiteren Standorten 18 sogenannte Systembauten beziehungsweise drei Containerunterkünfte mit insgesamt 2148 Plätzen errichtet werden. Die Kosten belaufen sich auf rund 35 Millionen Euro, wobei Ausgaben für die Container noch nicht beziffert sind. Alle bisher beschlossenen Tranchen umfassen 68 Systembauten plus drei Containersiedlungen an 31 Standorten mit insgesamt 6141 Plätzen verteilt auf alle 23 Stadtbezirke. Gesamtkosten: rund 123 Millionen Euro. Aktuelle leben 5435 Flüchtlinge in 89 städtischen Unterkünften in 20 Stadtbezirken. Nach jetzigem Stand fehlen der Stadt bis zum Jahresende immer noch etwa 750 Unterkunftsplätze.