Die etlichen ortsfremden Autokennzeichen verraten es: Die Plieninger Wohngebiete verkommen – vor allem in Ferienzeiten – zu einem Gratis-Parkplatz für Flugreisende. Zum Frust der Anwohner.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Plieningen - Nummernschilder zu erraten, ist ein beliebter Feriensport. RO, DÜW, MA, SIG, M, KA, KL, BB und so weiter und so fort. Während sich viele Kinder mit dem Spiel auf der Autobahn die Zeit vertreiben, können die Plieninger vor ihrer Tür anfangen. Der Bezirk ist wegen seiner Nähe zum Flughafen ein beliebter Gratis-Parkplatz für Reisende. Das verraten die Kennzeichen aus München, Balingen, Heppenheim, Bad Dürkheim, Konstanz – und wo ihre Halter überall herkommen.

 

Karl-Heinz Könitzer nutzt den kühlen Vormittag, um auf dem Balkon zu werkeln. Er und seine Frau leben an der Lupinenstraße. Und sie kennen sie gut, die Ferienparker. „Die lassen sich dann mit dem Taxi abholen“, erzählt er. Könitzer zeigt auf ein Auto aus Kaiserslautern. „Der steht da öfters.“ Der Anwohner hat den Parktourismus zwar genau im Blick, wirklich stören tut’s ihn aber nicht. Dem Harald von gegenüber gehe es da anders, verrät Könitzer.

Dauerparker behindern den Lieferverkehr

Harald heißt mit Nachnamen Mack, und seine Familie betreibt seit 80 Jahren eine Fensterbaufirma an der schmalen Lupinenstraße. Die parkenden Autos „behindern die Anlieferung“, sagt er. Drei- bis viermal die Woche kämen die Lastwagen mit Glas oder Fensterrahmen. Steht vor seinem Haus ein Dauerparker, müsse der Lieferant notgedrungen fürs Abladen die Straße versperren. „Das kann ich dann halt nicht ändern“, sagt Mack. „Und aussiedeln kann ich ja jetzt auch nicht.“ Der Fensterbauer hat sich bei der Stadt beschwert, aber Mack verspricht sich nicht viel davon.

Zu Recht. „In jüngerer Zeit haben uns verschiedene Beschwerden erreicht“, sagt Thomas Grab, stellvertretender Leiter der Verkehrsüberwachung. „Wir sind dem nachgegangen. Mit wenig Erfolg.“ Die Autos parken legal. „Das ist ein Dilemma, und wir sind einigermaßen hilflos.“ Grab kennt das Problem übrigens nicht nur vom Schreibtisch. Er wohnt in Plieningen.

Eine Anwohnerin der Luzernestraße, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, wäre bereit, eine Gebühr zu bezahlen – damit sie an ihrer Straße verlässlich einen Parkplatz findet. Denn das sei mitnichten der Fall. Die Ferienparker kämen oft, „wenn die Anwohner arbeiten“, sagt sie. „Wenn wir dann abends heimkommen, müssen wir uns irgendwo anders einen Parkplatz suchen.“ Und das nimmt immer mehr zu. Vor ein paar Jahren hätten sie und andere Unterschriften gesammelt, aber es seien zu wenige zusammengekommen.

Der Flughafen wirbt mit einem Ferienspezialtarif

Am Flughafen und an der Messe gibt es 18 000 Parkplätze. Bis Juli 2013 waren es ein paar mehr. Doch dann musste ein Parkhaus mit 1800 Stellplätzen der Deutschlandzentrale von Ernst & Young weichen. „Als Ersatz bauen wir gerade das neue Parkhaus P 14 mit 1560 Stellplätzen“, sagt eine Sprecherin des Flughafens. „Fertigstellung ist für Ende 2015 geplant. Bis dahin werden Besucher via Parkleitsystem auf vorhandene Möglichkeiten verwiesen.“

Der Flughafen wirbt mit einem Ferienspezialtarif von 29 Euro für acht Tage. Der Preis gilt für 2000 Stellplätze, gebucht werden muss bis zwei Wochen vorher. Der Regelpreis für eine Woche liegt bei 50 Euro, der Tagespreis bei rund 20 Euro. Dass das manchem zu teuer ist, kann Tilman Kube nicht verstehen. Er ist der Sprecher von APCOA Parking, einem Dienstleister für den Flughafen. „Wer rechtzeitig bucht, parkt günstiger als sonstwo“, sagt er.

Dass sich viele die Gebühr ganz sparen wollen, zeigt ein Blick ins Internet. In Foren geben sich Leute Tipps, wo es sich gratis parken lässt. Bei www.gutefrage.net schreibt einer unter dem Pseudonym „Ostwind111“ zum Beispiel: „Du kannst auch einfach in einer Seitenstraße parken :) oder du suchst dir jemanden, der dich zum Flughafen fährt.“ Bei www.geizkragen.de werden die Ratschläge eines gewissen Joeda noch konkreter: „Schlage dir vor, in S-Plieningen zu parken – und zwar in der Nähe der Bushaltestelle Plieningen-Post (sollte kein Problem sein).“ Für Anlieger schon.

In der Outletcity parken Schnäppchenjäger die Straßen zu

Wie sich Anwohner fühlen, wenn Ortsfremde die Straßen zuparken, wissen Sylvia und Ulrich Hümmer aus Metzingen. Bei ihnen in der Outletcity sind das die Schnäppchenjäger. Während sie erzählen, sitzen sie in einem gelben Großraumtaxi. Für sie geht es gleich nach Mallorca, ihr Auto steht derweil in Plieningen. Aber nicht in irgendeiner Nebenstraße, sondern auf einem umzäunten Parkplatz in den Entenäckern.

Den Platz betreibt die Firma XL-P.com – samt Shuttleservice. Im Sommer kostet der Tag 26 Euro, die Woche 36 Euro – mit Transfer. Markus Forderer hat davon im Internet gelesen. Er und seine Frau fliegen für sechs Tage nach Amsterdam. Deshalb sitzen sie auch im Taxi, ihr Auto wartet in Plieningen. Für Schilderrater: Ihr Kennzeichen ist BC, sie kommen aus Biberach.