Bei Flügen innerhalb der Europäischen Union soll ein Anspruch auf Entschädigung erst nach fünf Stunden Verspätung entstehen. Bisher gelten drei Stunden.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Verspätungen, Umbuchungen, Ausfälle – Flugreisen sind oft kein Vergnügen. Ein Trost: wer drei Stunden und später als geplant am Ziel ankommt, hat Anspruch auf eine Entschädigung bis zu 600 Euro. Doch nun will die EU-Kommission die entsprechende EU-Verordnung 261/2004 ändern, was einen Proteststurm bei Verbraucherschützern auslöst. Es drohe eine massive Verschlechterung der Fluggastrechte zu Lasten der Reisenden, warnt Josef Schneider, Vorsitzender des Europäischen Passagierverbands (European Passengers’ Federation). Allein in Deutschland haben jährlich rund 1,3 Millionen Fluggäste ein Recht auf Entschädigung, schätzt die Organisation Flightright in Potsdam, die Ansprüche für Reisende gegenüber den Fluglinien durchsetzt. Auch das Geschäftsmodell von Flightright würde die Änderung der EU-Verordnung gefährden, denn fast drei Viertel der Passagiere, die derzeit Entschädigung fordern können, könnten das künftig nicht mehr tun.

 

Denn nach dem Entwurf hätten künftig Reisende innerhalb der Europäischen Union nicht mehr ab drei Stunden, sondern erst ab fünf Stunden Verspätung einen Anspruch auf Ausgleich für Stress und Mehraufwand. Außereuropäisch wären die neuen Regelungen noch nachteiliger. Bei weniger als 3500 Kilometer Entfernung gäbe es künftig ebenfalls erst ab fünf Stunden Verzug einen Ausgleich, bei bis zu 6000 Kilometern sogar erst ab neun Stunden. Und wer mehr als 6000 Kilometer unterwegs ist, bekäme erst bei mehr als zwölf Stunden Verspätung am Ziel eine Entschädigung. Künftig könnten Lufthansa, Air Berlin und die anderen Fluggesellschaften ihre Fluggäste also bis zu vier Mal länger warten lassen, bevor eine Entschädigung fällig wäre. Für Verbraucherschützer Schneider ist das völlig inakzeptabel: „Hier muss die Kommission dringend nachbessern, um das selbst formulierte Ziel der Stärkung der Fluggastrechte zu erreichen.“

Auch andere geplante Regelungen zeigen, dass die Flugbranche ihre Interessen in Brüssel offenkundig durchgesetzt hat. So sollen Airlines ihre Maschinen künftig bis zu fünf Stunden auf der Rollbahn warten lassen können, bevor eine Entschädigung fällig wird. In den USA sind es nur drei Stunden inneramerikanisch und vier Stunden bei internationalen Flügen. In der EU fehlt bis jetzt eine Regelung für diese Fälle, was manche Fluglinien ausnutzen. Denn sobald die Maschine rollt, gilt der Flug als gestartet – auch wenn der Flieger dann erst Stunden später abhebt. Auch der Begriff der „außergewöhnlichen Umstände“ soll aufgeweicht werden. Bis jetzt fallen darunter zum Beispiel Stürme, Streiks oder Flughafenschließungen aus Sicherheitsgründen. In solchen Fällen müssen die Airlines bei Verspätungen nicht zahlen. Künftig sollen auch technische Defekte während des Flugs darunter fallen. Wer also an der Instandhaltung spart und seine Maschinen nachlässig wartet, würde dafür im Falle von Defekten und Verspätungen seine Passagiere nicht einmal mehr entschädigen müssen. Hier kollidierten Sicherheitsfragen und Rentabilitätsüberlegungen der Fluganbieter in gefährlicher Weise, warnen Verbraucherschützer. Zum Nachteil der Verbraucher soll auch die Frist zur Einreichung von Ansprüchen auf nur noch drei Monate verkürzt werden. Bis jetzt ist keine zeitliche Begrenzung vorgesehen, nach deutschem Recht verjähren die Ansprüche erst nach drei Jahren.

Auch politisch schlägt das Thema nun im Bundestagswahlkampf einige Wellen, denn die Bundesregierung hat den Brüsseler Entwurf bereits abgenickt, wie die Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen im Bundestag zeigt. Der EU-Abgeordnete und Grünen-Verkehrsexperte Michael Cramer wirft Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) daher vor, die Interessen der Fluggesellschaften zu Lasten der Verbraucher zu unterstützen.