Die Zahl der Arbeitslosen geht zurück, dafür versinken die Behörden in Asylanträgen. Nun schlägt Baden-Württemberg vor, Mitarbeiter der Arbeitsagenturen im Bundesamt für Migration aushelfen zu lassen.

Stuttgart - Angesichts steigender Flüchtlingszahlen sucht das Land nach neuen Möglichkeiten, Asylverfahren zu beschleunigen. Beamte der Bundesagentur für Arbeit (BA) könnten bei der Bearbeitung von Asylanträgen helfen. In einem Brief an das Kanzleramt schlägt die grün-rote Landesregierung vor, eine Abordnung von Mitarbeitern an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zu prüfen. Hintergrund des Vorschlags: Die Agentur für Arbeit hatte im Frühjahr angekündigt, bis 2019 rund 17.000 Stellen abzubauen. Begründet wurde dies unter anderem mit der sinkenden Arbeitslosigkeit in Deutschland.

 

Aus Regierungskreisen hieß es am Mittwoch in Stuttgart, ein Teil der betroffenen Mitarbeiter der Arbeitsagentur könne im Bundesamt aushelfen. Bundesweit gibt es rund 250.000 nicht bearbeitete Asylverfahren. Im Südwesten stapeln sich mehr als 25.000 Anträge.

Arbeitsagentur dämpft zu große Erwartungen

Die Regionalagentur für Arbeit dämpfte allerdings allzu hohe Erwartungen: „Wir haben insgesamt kein Personal zu viel an Bord und brauchen jeden Beschäftigten“, sagte der Chef der Regionaldirektion der Arbeitsagentur, Christian Rauch. Der Konsolidierungspfad für die Arbeitsagentur sei bereits 2012 beschlossen worden - zwei Drittel seien bereits umgesetzt. Das restliche Drittel ergebe sich durch interne Altersabgänge.

Allerdings gebe es befristete BA-Mitarbeiter, denen kurzfristig eine Beschäftigung beim Bamf angeboten worden sei. Ein Bamf-Sprecher ergänzte, die Kooperation mit der Bundesagentur sei bereits eng und man habe schon etliche Mitarbeiter der BA übernommen. „Es gibt die Möglichkeit, dass BA-Mitarbeiter zu uns wechseln. Das geht problemlos.“

Sinnvoller als eine befristete Abordnung sei aber sicher eine langfristige Übernahme, weil die Kollegen eingearbeitet werden müssen. Als Entscheider könne man sie aber wahrscheinlich nicht einsetzen. „Das macht eher im mittleren Dienst Sinn“, sagte der Sprecher. Und die Einarbeitung gehe auch bei ehemaligen BA-Mitarbeitern nicht schneller als bei anderen neuen Kollegen.

Die Landesregierung selbst prüft analog zu Nordrhein-Westfalen, pensionierte Landesbeamte zu reaktivieren - zum Beispiel Polizisten, Lehrer oder auch Ärzte - um das Personal in den Landeserstaufnahmeeinrichtungen (Lea) zu unterstützen.

Gall will Pensionäre gewinnen

Innenminister Reinhold Gall (SPD) kündigte an, zur Betreuung der Flüchtlinge mehr Personal einzusetzen. Sein Ministerium habe entschieden, auch seine Pensionäre zur Mitarbeit gewinnen zu wollen, sagte er am Mittwoch der „Heilbronner Stimme“. Es müssten aber noch Details zur Bezahlung geklärt werden. SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel plädierte in der „Südwest Presse“ dafür, auch Beamte von Post und Bahn zum Bamf abzuordnen.

Der Beamtenbund zeigte sich in einer ersten Reaktion offen für solche Überlegungen. Der baden-württembergische Verbandschef Volker Stich sagte, die Reaktivierung pensionierter Beamte sei im Prinzip ein sinnvoller Vorschlag. „Ich gehe davon aus, dass viele der pensionierten Kollegen bereit sein werden, so eine Aufgabe zu übernehmen.“ Auch eine Abordnung von Bundesbeamten an das Bamf könne Sinn machen. Allerdings riet Stich, in beiden Fällen auf Freiwilligkeit zu setzen und Beamte nicht zwangsweise abzuordnen.

CDU-Integrationsexperte Bernhard Lasotta sagte, aus den Ländern müssten aus allen Ebenen der Verwaltung befristet Beamte zum Bamf abgeordnete werden. Diese gemeinsame Kraftanstrengung werde sich lohnen, weil sich dann überall die Lage entspanne, insbesondere in den überfüllten Erstaufnahmeeinrichtungen und bei den Kommunen.

Nach den offiziellen Zahlen muss Baden-Württemberg im laufenden Jahr mit rund 52.000 neuen Flüchtlingen rechen. Die Kommunen erwarten aber, dass es bis zu 80.000 sein könnten - das wäre eine Verdreifachung der Zahlen aus dem vergangenen Jahr. Gall geht davon aus, dass zur Unterbringung der Flüchtlinge zusätzliche Anstrengungen nötig sind. Es gebe eine Reihe von Weiterbildungseinrichtungen der Kirchen oder Gewerkschaften, die dafür genutzt werden könnten, sagte er. „Man könnte auch mal ein Jahr Seminarpause machen.“

Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) sagte der „Heilbronner Stimme“, es werde immer schwieriger, bei der Eröffnung von Unterkünften auf die Bedenken in den Städten und Gemeinden einzugehen. „Da die Flüchtlingszahlen so hoch sind, kann ich nicht zu 100 Prozent ausschließen, dass wir vor Ort Entscheidungen treffen, die nicht populär sind“, sagte sie.