Nachdem Michael Schumacher in Suzuka sein Karriereende verkündet hat, machen sich die anderen Piloten sorgen um die Zukunft der Formel 1.

Suzuka - Irgendwie war der Tag danach ein anderer. Der Tag nach Michael Schumachers Rücktrittserklärung. Die Szene musste die Meldung erst verdauen. Damit hatte sie nicht gerechnet. Jedenfalls nicht so schnell. „Ich bin echt überrascht“, gab Sebastian Vettel zu. „Da kam in wenigen Tagen ganz schön viel zusammen. Erst die Transfers von Hamilton zu Mercedes und Perez zu McLaren an einem Tag – und jetzt noch Michaels Rücktritt. Ich hätte keine dieser Entwicklungen so erwartet.“

 

Überrascht war man auch bei Mercedes. Michael Schumacher weihte das Team erst fünf Minuten vor der Bekanntgabe ein. Ursprünglich hatten sich der Teamchef Ross Brawn und der Rennleiter Norbert Haug darauf vorbereitet, die Hintergründe der Verpflichtung von Lewis Hamilton zu erklären, und dass dies kein Misstrauensvotum gegen Schumacher war. Plötzlich mussten sie sich ein paar staatstragende Worte zum Abschied des Rekordmeisters überlegen. Haug ließ die lange Karriere noch einmal Revue passieren und bat um Anerkennung dieser Lebensleistung, auch wenn die Ziele bei Mercedes nicht erfüllt werden konnten. Brawn blieb pragmatisch: „Wir mussten langfristig denken. Michael konnte uns keine drei Jahre mehr garantieren. Als es dann die Chance mit Lewis gab, mussten wir zugreifen. So eine Gelegenheit gibt es nicht alle Tage.“

Der ganz besondere Gegner

Im Formel-1-Zirkus spürte man nach der Ankündigung fast so etwas wie Wehmut. Mit Schumacher, der gestern im Training von Suzuka seinen Mercedes in die Reifenstapel manövrierte, geht mehr als nur der erfolgreichste Rennfahrer aller Zeiten. Mit ihm geht ein Gegner, der für die junge Generation eine Motivationsspritze war. Einen Schumacher auf der Strecke im Zweikampf zu besiegen war halt etwas anderes, als Kamui Kobayashi oder Paul di Resta zu überholen. „Ich fühle mit privilegiert, dass ich gegen Michael fahren durfte“, so streut Lewis Hamilton dem Deutschen Rosen. „Als Michael Weltmeister wurde, habe ich ihn am TV-Schirm im Wohnzimmer erlebt und geträumt, auch nur annähernd so gut zu werden wie er.“

Sebastian Vettel gibt derweil zu: „Wir haben alle von Michael in den letzten drei Jahren profitiert. Sein Name hat Zuschauer an die Rennstrecke gebracht und die Einschaltquoten erhöht. Auf der Strecke war er immer ein harter, aber fairer Gegner.“ Auch Nico Hülkenberg trauert der Legende nach: „Wir verlieren einen großen Champion. Michael ist ein Megastar. Ich hätte schon gedacht, dass er noch ein bisschen weitermacht.“ Und für Timo Glock kam das angekündigte Karriereende wie für alle anderen aus heiterem Himmel. „Ich bin mit Michael am Morgen noch ein paar Runden um die Rennstrecke geradelt. Er hat für mich nicht den Eindruck gemacht, als wollte er zurücktreten.“

Die Lust am Fahren hängt vom Auto ab

Einige Fahrer, die noch auf der Suche nach einem freien Cockpit sind, mögen sich insgeheim gefreut haben. Nach dem Motto: Einer weniger, der mir den Platz wegnehmen kann. Die Gerüchteküche hatte Schumacher abwechselnd bei Sauber, Williams, Ferrari und Lotus gesehen. Tatsächlich hätte es für Schumacher nur die Alternative Ferrari gegeben. Da hätte er sich vielleicht noch einmal aufraffen können, die leer gelaufenen Batterien aufzuladen – auch weil bei seinem ehemaligen Team die Hoffnung auf ein wettbewerbsfähiges Auto am größten gewesen wäre. „Die Lust am Fahren nährt sich auch daran, wie gut dein Auto ist“, gibt Schumacher zu. Alle anderen Optionen wären für ihn mit dem Risiko behaftet gewesen, dass er sich wie bei Mercedes in Reihe zwei abplagen muss.

Martin Brundle, der 1992 mit Schumacher bei Benetton fuhr, ist froh, dass der ehemalige Teamkollege die Finger von Teams wie Sauber und Williams gelassen hat. „Das hätte wie eine Verzweiflungstat ausgesehen, also so, als könne er nicht loslassen und müsse mit aller Macht fahren.“ Bei Sauber und Williams hatte man kurzfristig den Schumacher-Traum geträumt. Frank Williams war immer ein Fan von ihm. Selbst zu den guten Zeiten des Rennstalls klagte der Mann im Rollstuhl: „Michael wird wohl immer ein Traum bleiben. Ich kann ihn mir nicht leisten.“ Plötzlich schien der Rekordsieger ein paar Tage in greifbarer Nähe, als man noch glaubte, er brauche die Droge Formel 1 so sehr, dass er überall gefahren wäre, nur um zu fahren.

Sauber ist zu klein für den großen Schumi

Für Sauber wäre eine Verpflichtung ein finanzieller Klimmzug gewesen. Schumacher hat zwar seinen Preis, doch hätte man sich ein Finanzierungsmodell einfallen lassen können. Der Teammanager Beat Zehnder führt dagegen ganz banale Hürden ins Feld: „Wir sind ein kleines Team und haben nicht die Manpower wie die Werksteams, einen Mann wie Schumacher außerhalb des Cockpits zu betreuen.“

Bei Sauber müssen die Fahrer den Weg vom Flughafen an die Rennstrecke allein finden. Schumacher genießt bei Mercedes wie einst bei Ferrari dagegen einen Rund-umservice. Peter Sauber hat mit Schumacher nie über das Thema gesprochen. Man vereinbarte im Flieger nach Singapur zwar ein Gespräch, doch dazu ist es nie gekommen. Jetzt wollen die Schweizer einen anderen Deutschen. Ganz oben auf der Wunschliste steht Nico Hülkenberg.