Vier von fünf Fraktionen im Karlsruher Gemeinderat haben eine Chefin. Der Umgangston hat sich verändert, Chauviwitze und anzügliche Bemerkungen sind verschwunden.

Karlsruhe - Um mehr Frauen in verantwortliche Positionen in der Politik zu bringen, liebäugeln Landes-Grüne und die Südwest-SPD mit Frauenquoten, bei Kommunalwahllisten etwa ermöglicht durch das sogenannte Reißverschlussverfahren. Das sozialdemokratisch geführte Innenministerium allerdings hält dieses Verfahren für verfassungswidrig. Es beruft sich auf ein Rechtsgutachten zu dem Thema, das es in Auftrag gegeben hatte. Jetzt streiten sich die Fachpolitiker, wie man das Ziel dennoch erreichen könnte.

 

Vielleicht lohnte sich ein Blick auf die Erfahrungen in Karlsruhe, wo vier von fünf Gemeinderatsfraktionen von Frauen geführt werden. „Eine Frauenquote würde einen Verstoß gegen unsere Verfassung bedeuten, die Bürger würden in ihrer Wahlfreiheit eingeschränkt.“ Das sagt auch Gabriele Luczak-Schwarz (CDU). Die 50-jährige Juristin führt seit 2008 die 14-köpfige CDU-Fraktion im Karlsruher Rathaus und ist die erste Frau in dieser Funktion in der nordbadischen Stadt. Ihr Vorgänger Wolfram Jäger wechselte 2008 ins Bürgermeisteramt.

In der Union hadert man noch mit dem Reißverschlussvorstoß, wenn er auch nahezu gleichlautend von der parteieigenen Frauenunion kommt. Dabei sind Gabriele Luczak-Schwarz und ihre Parteikolleginnen in ihrer Fraktion deutlich in Unterzahl, nur vier von 14 Mandatsträgern bei der Karlsruher Rats-CDU sind weiblichen Geschlechts.

SPD: „Die Quote ist sehr hilfreich“

Grün und Rot praktizieren die Führung durch Frauen schon seit Jahren. Beste Erfahrungen „mit dem Reißverschlussverfahren“ haben die Sozialdemokraten gemacht. Das berichtet Doris Baitinger, die seit 2004 die – heute zehnköpfige – SPD-Fraktion anführt: „Die Quote ist sehr hilfreich“, sagt sie. Vielleicht sogar noch etwas mehr als das. Sechs Frauen in der Fraktion stehen vier Männer gegenüber – was sich auch im Fraktionsvorstand mit dem Verhältnis zwei zu eins widerspiegelt. Bei der SPD gelte schon seit 1989 die 40-Prozent-Regel, nach der die Listen abwechselnd nach Geschlecht besetzt würden, sagt Baitinger. Jede fünfte Position ist danach frei wählbar.

Noch strikter gehen die Grünen in Karlsruhe – und im Land vor. Die Plätze eins und drei sowie alle folgenden ungeraden Listennummern sind Frauen vorbehalten, so ist es in der Parteisatzung festgelegt. Die geraden Ziffern sind vom Grundsatz her frei wählbar. Ziel sei jedoch, dass Männer und Frauen im gleichen Verhältnis in die Rathäuser einziehen, sagt Bettina Lisbach, seit 2004 im Stadtrat von Karlsruhe und seit 2008 Fraktionssprecherin. Auch sie folgte einem Mann, Klaus Stapf, der seit seit 2008 Karlsruhes erster grüner Umweltbürgermeister ist. Auch die Grünen-Frauen in Karlsruhe sind deutlich in der Überzahl – sechs Mandatsträgerinnen stehen vier Männer gegenüber.

Die Männer dominieren den Gemeinderat

Das ändert allerdings nichts daran, dass im Gemeinderat die Frauen mit 19 Mandatsträgerinnen doch noch insgesamt in der Minderheit bleiben. Seit der Kommunalwahl 2009 stehen den Frauen 29 Männer gegenüber. Insgesamt zählt der Karlsruher Gemeinderat 48 Köpfe. Strittig ist bei der von SPD und Grünen verlangten Frauenquote – die parteiintern jeweils auch schon länger praktiziert wird – nicht zuletzt der Punkt, ob diese auch Gesetzesrang haben muss. Darum drehen sich die Debatten im Wesentlichen. Karlsruhes FDP-Stadträtin Rita Fromm, seit 1989 bereits in dem Gremium, weist auf „eine Selbstverpflichtung“ der örtlichen Gliederung der Liberalen hin, derzufolge bei der Kommunalwahl unter den ersten 15 Kandidaten fünf Frauen sein mussten. Doch nur sie schaffte es für die Liberalen auch in das Ratsgremium und wurde dann nach eigenen Angaben aufgrund ihrer langjährigen kommunalpolitischen Erfahrung auch von den fünf männlichen Gemeinderatskollegen zur Fraktionschefin gewählt – als Nachfolgerin des einstigen FDP-Stadtrats Michael Obert, der ebenfalls ins Bürgermeisteramt wechselte. Mit der Wahl Fromms entstand in Karlsruhe im Sommer 2008 das landesweite Novum, das vier von fünf Fraktionen von Frauen geführt werden.

Mag sein, dass Grünen-Wähler tendenziell eher Frauen bei ihrer Entscheidung den Vorzug geben – und FDP-Wähler eher Männer in Parlamente hieven. Mag auch sein, dass die Karlsruher Besonderheit mit den vier Fraktionschefinnen auch mit den Ambitionen männlicher Amtsvorgänger zu tun hat, sich in ein Bürgermeisteramt wählen zu lassen. Es scheint sich jedoch durch die Frauen in den Führungsfunktionen der Umgangsstil im Karlsruher Rathaus geändert zu haben.

Weiblicher Führungsstil verändert den Umgangston

Doris Baitinger, von Beruf Lehrerin, sagt: „Chauviwitze oder anzügliche Bemerkungen sind nahezu verschwunden.“ Ihre eigene Wahl zur Fraktionschefin sieht sie jedoch als Persönlichkeitswahl – auch vor Jahren sei mit Gerlinde Hämmerle, der späteren Regierungspräsidentin, bereits eine Frau Fraktionschefin gewesen. Bettina Lisbach will Umgangsfragen nicht auf das Geschlecht reduzieren. Gabriele Luczak-Schwarz (CDU) sieht zudem keine Ursache für ihre Wahl im eigenen Geschlecht: „Das Geschlecht ist kein politisches Programm“, sagt sie. „Die Wahl von vier Frauen zur Fraktionschefin in Karlsruhe ist eine hervorragende Werbung für Frauen in Führungspositionen“, da ist sich Rita Fromm von den Liberalen sicher.