Frank Federsel pendelt seit Jahren zwischen Degerloch und Berlin, weil das sein Leben so schön ineffizient macht. Der 51-Jährige sucht sich Freiräume, um seine Stücke zu komponieren.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Degerloch - Damit eines klar ist: „Schubladen sind für Socken ideal, nicht für Musik.“ Das sagt einer, der es wissen dürfte. Frank Federsel, 51, Komponist aus Degerloch. Wenn er gefragt wird, was er denn komponiert, dann antwortet er lang und sagt, kurz zusammengefasst: alles worauf er Lust hat. „Einschränken möchte ich mich da nicht.“ Frank Federsel liebt die Freiheit. Und deshalb nimmt er sich zum Beispiel die Freiheit, in Degerloch und in Berlin zu leben.

 

Montags und dienstags wohnt er bei seiner Mutter an der Albstraße und gibt in seinem Tonstudio und Musikraum Klavierunterricht. Dann setzt sich Federsel ins Auto und tuckert rund 650 Kilometer in die Hauptstadt. Er lechzt nach der Ruhe, wenn er auf der Autobahn für sich ist. „Stille ist das kostbarste Gut“, sagt er. Und leider ein höchst rares. „Du weißt gar nicht mehr, wie eine Wiese klingt“, sagt Federsel. Zwischen Degerloch und Berlin fallen ihm die besten Sachen ein.

Mal abgesehen davon, machen die Fahrten sein Leben ineffizienter, wie er sagt. Und genau das will er. „Goethe hat gesagt: Sei doch mal unterwegs.“ Er steht auf und geht ein paar Schritte in seinem Degerlocher Tonstudio. Federsel hat Hausschlappen an und Wollsocken. Seine Haare nehmen sich die Freiheit, wild und buschig von seinem Kopf abzustehen. Als hätte er sie toupiert.

Daheim in Degerloch und Berlin

In Berlin verbringt er seit zehn Jahren fünf Tage in seiner Einraumwohnung. „Ich habe sie zur freien Verfügung.“ Acht Stunden zu arbeiten, kennt er so nicht. Er tut, wonach ihm der Sinn steht, er hält zum Beispiel Melodien und Kompositionen in Noten fest, die ihm auf der Herfahrt durch den Kopf geschwirrt sind, oder er trifft sich mit Freunden und Bekannten und tauscht sich aus. „Dadurch entsteht Freiraum“, erklärt Frank Federsel. Freiraum, den er braucht.

Daheim fühlt er sich in Degerloch und in Berlin gleichermaßen. „Mein Lebensmittelpunkt ist überall da, wo meine Freunde sind und wo die Musik ist. Und die ist lustigerweise immer da, wo ich bin.“ Er lacht glücklich.

Frank Federsel verdient sein Geld vor allem als Komponist. Er ist Mitglied der Gema und bekommt eine Tantieme dafür, dass seine Stücke im Radio gesendet werden. Zum Beispiel beim NDR, beim Berliner Rundfunk, beim Klassikradio, aber auch viel in Japan und in Kanada, berichtet er. Nebenher verkauft er seine Noten in einem Onlineshop. „Das ist eine klasse Sache“, sagt er. „Kleinvieh macht auch Mist.“ Er verkauft zudem CDs, und er tritt ab und zu bei Konzerten auf.

Komponieren braucht seine Zeit

Dieses Jahr hat er die Seligpreisungen zur Aufführung gebracht. Federsel war damit in Stuttgart, Karlsruhe und Heidelberg. Der 51-Jährige gibt nicht sonderlich viele Konzerte. „Ich möchte auch mal nicht spielen. Das Komponieren braucht, ob man es glaubt oder nicht, Zeit.“

Der Komponist hat an der Musikhochschule in Stuttgart Schulmusik und Popularmusik studiert. Der ursprüngliche Plan war, Lehrer zu werden. Doch das Leben hatte anderes mit ihm vor.

An der Hochschule hat er zusätzlich Klavier und Saxofon studiert. „Ich liebe alle Instrumente“, sagt er. Er hat sehr viel übrig für Gesang und komponiert deshalb auch viel und gern für Chöre und Sänger. Aber „meine Herzensangelegenheit ist schon das Klavier“. Klavierstücke zu komponieren falle ihm recht leicht. Für andere Projekte brauche er wesentlich länger. Zum Beispiel für das 45-minütige Requiem, an dem er zurzeit arbeitet.

Kürzlich hat er sich einen Synthesizer-Flügel bauen lassen. „Das ist mein absolut neuestes Lieblingsspielzeug“, sagt Federsel. Das Spielzeug, das äußerlich einem Flügel nachempfunden ist, ist teilbar. Bisher musste er immer abwinken, wenn es hieß: „Bring mal dein Instrument mit.“ Ein Flügel transportiert sich nicht wie eine Flöte. Das ist mit dem Synthesizer anders. „Der passt in jedes Auto“, sagt Federsel. „Das ist ein bisschen wie Tetris spielen.“

„Summen, brummen, neugierig sein“

Sein transportables Instrument macht Frank Federsel beweglich und irgendwie allzeit bereit. Es passt zu ihm, dem Freigeist. Er komponiert immer und überall. Und das funktioniert wie? „Summen, brummen, neugierig sein“, sagt er. Es ist eine Gefühlssache. „Musik will nicht verstanden werden, Musik will gehört werden.“ Was Musik für ihn ist, darüber kann er ausgiebig plaudern. Musik ist für ihn beispielsweise wie ein Baum, der wächst. Alle Musiken seien Äste, „und wir stehen alle auf demselben Stamm“. Wer sich mit Frank Federsel über Frank Federsel unterhalten will, braucht Grundkenntnisse in der Philosophie – und Zeit. „Ich vergaloppiere mich sehr gern“, sagt er. Das macht ihn sympathisch. Er brennt für das, was er erzählt.

Die Neugier auf Töne war schon immer da, erzählt er. Seine Eltern seien musikalisch gewesen, bei ihnen habe es viel Hausmusik gegeben. Mit 14 Jahren habe er statt eines Rennrads eine Heimorgel geschenkt bekommen. Dann nahmen die Dinge ihren Lauf. „Mein Leben hat wunderbare Abbiegungen genommen.“ Er wirkt, als wäre er im Einklang mit sich. „Das Leben hat mich immer dahin geweht.“

www.frankfedersel.com