Der britische Sänger Frank Turner ist nach seinen Anfängen im Folk Rock irgendwo zwischen Radiopop und Stadionrock angelangt. Die Besucher beim Konzert im LKA in Stuttgart haben das gefeiert – auch, weil Turner so verdammt sympathisch ist.

Stuttgart - 1819. An dieser Zahl kann man erkennen, dass sich harte Arbeit zwar nicht immer, aber oft auszahlt. Es ist die Zahl der Shows, die Frank Turner im vergangenen Jahrzehnt gespielt hat. Der 1819. Auftritt des englischen Sängers fand am Mittwoch im Stuttgarter LKA Longhorn statt.

 

„Als wir vor elf oder zwölf Jahren angefangen haben, Shows zu spielen, haben wir nicht gedacht, dass sich irgendjemanden irgendwann einen Dreck darum scheren würde“, erzählt Frank Turner dem Stuttgarter Publikum, irgendwann kurz vor Mitternacht. Zwei Stunden hat Turner mit seiner Band, den Sleeping Souls, da schon gespielt, und das Publikum befindet sich in einem Zustand irgendwo zwischen Glückstaumel und Ekstase.

Ecken und Kanten waren früher

Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass kaum jemand den Briten kannte – jedenfalls nicht über ein Szenepublikum hinaus. Großartige Musik hat Turner damals schon gemacht, mit Alben wie „Love, Ire & Song“ oder „Poetry of the Deed“. Im Radio liefen seine Songs aber noch nicht. Ein paar Jahre später änderte sich das schlagartig; Turner brachte mit „Tape Deck Heart“ ein Album heraus, das dem Pop mehr huldigt als den folkigeren Wurzeln des Sängers. Das jüngste Album des Engländers, „Positive Songs for Negative People“, hat genau da angeknüpft. In der Massentauglichkeit ist Frank Turner spätestens damit angekommen, Ecken und Kanten sind ein Ding der Vergangenheit. Glücklicherweise fällt das live weit weniger auf als auf Platte; die Songs versprühen eine Energie, die auf dem Album etwas verloren gegangen ist.

Die Mehrheit des Publikums stört der neue Pop-Appeal indes ohnehin nicht, ganz im Gegenteil werden Frank Turner und seine Sleeping Souls an diesem Abend frenetisch gefeiert, wohl gerade weil sie vor allem neue Songs spielen. Im ausverkauften LKA feiern die Fans eine Party, die es in sich hat. Und Turner tut sein Bestes, um die Stimmung weiter anzuheizen. Er fordert die Fans zum Mitklatschen auf, er veranstaltet einen Wettbewerb, welche Seite der Halle lauter jubeln kann. Und am Ende sollen sich alle hinsetzen – um dann umso schwungvoller wieder aufzustehen und, so der Plan, mit fremden Menschen ausgelassen tanzen. Das ist dann doch ein bisschen zu viel der Animation.

Sympathische Bodenständigkeit

Frank Turner lässt sich im LKA feiern wie ein Rockstar. Da kann man leicht das Gefühl bekommen, dass diese ganze Sache ein wenig aus dem Ruder gelaufen ist. Aber abgesehen von „Früher war alles besser“ kann man schon deshalb beruhigt sein, weil Turner grundsätzlich ein bodenständiger Typ ist. Das offenbaren nicht zuletzt Songtexte wie von „Try this at Home“: „There’s no such thing as rock stars, there’s just people who play music/And some of them are just like us and some of them are dicks.“

Der Engländer nimmt sich selbst nicht so wichtig, und seine Botschaft ist: Niemand ist etwas Besonderes, ihr könnt das alle genauso gut wie ich, und wichtig ist nur, dass wir alle zusammen Spaß haben. Diese Bodenständigkeit ist es, die Frank Turner so sympathisch macht. „We’re not just saving lives, we’re saving souls“ singt Turner in „I Still Believe“. Das klingt auf dem Papier, als würde da jemand den Mund ein bisschen voll nehmen. Aber wenn man die Menschen fragt, die das Konzert erschöpft und glücklich verlassen, dann ist da sicher was dran.