Man mag es glauben oder nicht: Frankfurter Buchmesse goes future. Oder doch nicht? Schließlich wird dort das Internet noch ausgedruckt.

Frankfurt - Man mag es glauben oder nicht: Frankfurter Buchmesse goes future. So würden sie es vielleicht selbst ausdrücken, die Leute, die sich überlegt haben, dass es nicht mehr reicht, große Hallen mit toten Bäumen zu füllen. Also verbünden sie sich mit einem Hersteller hubraumstarker Autos (auch irgendwie Bäumetotmachern, könnte man sagen) und veranstalten in dem Pavillon, den Audi von der IAA übriggelassen hat, allerlei fortschrittlich betiteteltes Zeug, das uns Airport-English-Konditionierten flüssig von den Lippen geht, ohne dass wir unbedingt verstehen müssten, was damit gemeint ist, Hauptsache es kommt „media“, „enhanced“ und „board“ drin vor.

 

Der Pavillon ist übrigens mit weißen Teflon-Kacheln verkleidet, verfügt über ein rot leuchtendes Riesenauge und hat was von den Raumschiffen, die von den ahnungslosen Menschen in Roland Emmerichs „Independence Day“ so freudig bejubelt wurden, bis die Aliens anfingen, ernst zu machen. Innendrin liegen dementsprechend Sitzeier herum, die von Riesenameisen oder den Borg dahingelegt sein könnten, und da setzen sich die Besucher drauf, als würden sie die Zukunft ausbrüten.

Ein neues Wesen ist geschlüpft.

Geschlüpft ist am Mittwoch, unter tätiger Mithilfe des aus Funk und Fernsehen bekannten Literaturkritikers Denis Scheck und des Schriftstellers Jan Peter Bremer („Der amerikanische Investor“), ein Wesen namens „Collective Storytelling“ (die zwei wussten vorher auch nicht, was auf sie zukommt). Man einigt sich auf einen ersten Satz, und die Gruppe generiert dann kreative Fortsetzungen. Warum muss ich jetzt an das Lieblingsspiel meiner Kindheit denken, „Onkel Otto plätschert lustig in der Badewanne“?

So die Theorie. In der Praxis sieht das eher so aus wie das, was ich in der Schule am meisten gehasst habe, Gruppenarbeit nämlich. Unvorsichtigen neugierig Dazutretenden werden Mikrofone unter die Nase gehalten, und sie sollen dann ganz spontan sagen, wie es mit dem orientierungslosen jungen Mann, der Mutter mit den zwei Kindern und dem Zug im Tunnel weitergeht.

Heraus kamen Sätze, die Jan Peter Bremer hoffentlich nicht einmal in der allerersten Entwurfsfassung seiner Erzählungen zu Papier bringt. „Mit einem Schrei sprang die Frau aus ihrem Sitz auf und eilte, das andere Kind auf dem Arm in schrecklicher Vorahnung durch den Zug.” Hier standen diese Sätze, für alle zu lesen, zukunftweisend auf einem Monitor.

Andererseits hängen an der Decke dieser digitalen Hühnerfarm ja auch ganz viele kleine Thermodrucker, aus denen weiße Papierstreifen quellen. Nähertretend, konnte ich darauf Twitterbotschaften aus aller Welt lesen. Nicht, dass die mich groß angegangen wären. Aber so lange die auf der Buchmesse noch das Internet ausdrucken, will ich mal nicht meckern.