Das Land sucht seine kulinarische Identität, auch beim Fastfood. Politiker diskutieren über die Zubereitung von Burgern.

Stuttgart - Die Debatte um Frankreichs Identität hat den Kochtopf erreicht. Wie islamisch darf die Küche sein, ohne dass die Nation Schaden nimmt? Die Frage erhitzt die Gemüter. Die Antwort diktiert der Bauch. Der sozialistische Bürgermeister von Roubaix ist zu dem Schluss gelangt, acht Fastfood-Restaurants, die ihre Hamburger den mehrheitlich muslimischen Gästen zuliebe ausschließlich mit Halal-Fleisch füllen, seien zu viel des Fremden. René Vandierendonck ist deshalb gegen die Betreiber-Kette "Quick" vor Gericht gezogen. Der Verzicht auf Schweinefleisch, die alleinige Verwendung von Lamm oder Geflügel, das nach islamischem Schlachtritus beim Ausbluten gestorben ist, sei eine Diskriminierung nicht-muslimischer Schnellesser, meint das Stadtoberhaupt.

Beim politischen Gegner hat der Sozialist bereits Gehör gefunden. Abgeordnete der rechtsbürgerlichen UMP haben zum Boykott der "Quick"-Filialen aufgerufen. Fadela Amara, die sich als Staatssekretärin für Stadtentwicklung um das gedeihliche Zusammenleben in Frankreichs unruhigen Vorstädten kümmert, versucht die hochkochende fremdenfeindliche Debatte zu deckeln. Amara empfiehlt, zwischen schlechtem Sonderweg ins religiöse Getto (Ganzkörperverschleierung) und guter Vielfalt (Halal-Mahlzeiten) zu unterscheiden.

Allein der Käse eint die Nation


Rückendeckung erhält sie von Daniel Cohn-Bendit. Der Europaabgeordnete der Grünen preist seinerseits den Halal-Hamburger als Ausweis von Reichhaltigkeit, vergleichbar dem im Pariser Stadtviertel Marais jüdischen Kunden angebotenen koscheren Fleisch. Wer etwas Anderes wolle, solle doch einfach woanders hingehen, rät Cohn-Bendit. Und so hätten sich die Gemüter vielleicht wieder beruhigt, wäre da nicht der Verdacht aufgekommen, dass die muslimische Küche Frankreichs kulinarische Identität nicht etwa gefährdet, sondern - ganz im Gegenteil - begründet. Couscous ist, so haben Meinungsforscher herausgefunden, der Franzosen liebste Beilage.

Nichts scheint mehr gewiss im Land der Haute Cuisine - oder jedenfalls fast nichts. Da ist nämlich, Gott und Allah sei Dank, noch immer der Käse. Er eint die kulinarisch zerrissene Nation. Ende März wird sie geschlossen den landesweiten Käsetag feiern. Das zumindest ist sicher.