Den Ingenieuren der französischen Staatsbahn SNCF ist ein teurer Fehler unterlaufen: Sie haben 2000 neue Züge bestellt, die viele Bahnhöfe gar nicht anfahren können – ohne am Bahnsteig zu reiben.

Paris - Jahrelang haben Experten der französischen Eisenbahngesellschaft SNCF über Angebote diverser Regionalzugfabrikanten gebrütet, bevor sie zu der Erkenntnis gelangt sind: der Regiolis des französischen Herstellers Alstom und der Regio2N des kanadischen Konkurrenten Bombardier sind die Besten. Die SNCF orderte daraufhin für 15 Milliarden Euro rund 2000 neue Züge – in Zeiten, da der Staat rigoros sparen muss, eine mutige Entscheidung für mehr Umweltschutz und mehr Verkehrssicherheit.

 

Kostenspielige Nachbesserungen

Was die Sicherheit betrifft, muss nun allerdings nachgebessert werden. Die neuen Züge sind nämlich leider zu breit. Und da der Auftrag bereits verbindlich erteilt wurde, sind vor der Auslieferung noch schnell Bahnsteigkanten abzutragen, damit die neuen Lokomotiven und Anhänger nicht Funken stiebend an ihnen entlangschrammen. Billig wird das natürlich nicht. Der SNCF zufolge sind 1300 der 9000 französischen Bahnsteige kollisionsgefährdet. Mit Umbaukosten von 50 Millionen Euro rechnet das Unternehmen – eine Dimension, die das Vorstellungsvermögen des Bürgers zu überschreiten droht.

Auf der Suche nach Verständnis fördernden Parallelen im Alltagsleben ist der Lokführer und Gewerkschafter Emmanuel Grondein fündig geworden: „Das ist so, als wenn ich ein neues Auto bestelle, ohne mich darum zu kümmern, ob es auch in meine Garage passt.“ Während einem Autokäufer so ein Malheur höchstens einmal im Leben zustoßen dürfte, scheint es bei der SNCF bereits das zweite Mal der Fall zu sein. Angeblich drohten nach dem Erwerb neuer Nahverkehrszüge für den Großraum Paris 2009 auch schon Reibereien.

Angeblich fehlen die richtigen Maße

Das Unternehmen RFF, welches Frankreichs Schienennetz verwaltet, findet es offenbar ganz normal, Bahnsteige von Zeit zu Zeit ein bisschen umzubauen. Viele seien vor mehr als einem Jahrhundert errichtet worden, ohne rechtlich fixierte Maße, versichert der RFF-Sprecher Christophe Piednoël. Da gelte es eben manchmal nachzubessern. Frankreichs Verkehrsstaatssekretär Frédéric Cuvillier scheint von der Unvermeidbarkeit drohender Zusammenstöße zwischen neuen Zügen und alten Bahnsteigkanten weniger überzeugt. Er findet „die Situation abenteuerlich, gleichermaßen dramatisch wie komisch“.