Stuttgarts Freibäder haben ihre Fans: Das gilt auch für unseren Autoren Jürgen Löhle. Er kennt die Bäder in Möhringen, Vaihingen, Sillenbuch und Untertürkheim und auf dem Killesberg von zahlreichen Besuchen. Eine persönliche Typologie.

Stuttgarts Freibäder haben ihre Fans: Sogar in Moskau. Dort spielt seit einigen Jahren ein gewisser Kevin Kuranyi bei Dynamo im Sturm. Wenn der Stuttgarter nun aber Russland nach fünf Jahren Adieu sagt, kann man ihn vielleicht wieder im Möhringer Freibad beim Volleyball treffen. Das hat Tradition. Und so wie der Fußballprofi gehen viele Sommer für Sommer in ihr Stammbad, wobei sich da vor allem im Wasser glasklare, wenn auch nicht schriftlich fixierte Regeln feststellen lassen. Und die sollte man kennen:

 

Vaihingen: Prosecco aus der Kühltasche

Beginnen wir im Vaihinger Rosental. Ein Bad so groß, dass man sich darin verlaufen kann. Dabei verteilen sich die 2700 Quadratmeter Wasserfläche so geschickt, dass man in zwei der drei Becken tatsächlich schwimmen kann. Im großen 50-Meter-Sportbecken verläuft aber dabei unsichtbar eine Art Zonengrenze in der Mitte. Links davon (Richtung Sprungturm betrachtet) sind die Sportiven unterwegs, also die, die spritzend und schnaufend kraulen. Man erkennt diese Menschen auch daran, dass sie am Beckenrand bunte Plastikbretter, Nasenklammern, Trinkflaschen mit giftgelben Energiedrinks und sonstige wichtigen Dinge anhäufen und außer Bahnen zählen nichts weiter tun. Rechts von der Mitte teilen die Gemütlichen mit Kopf oben und trockenen Haaren gemächlich das Wasser. Sie wollen vieles nur kein Gespritze und Geschnaufe und sie achten ganz genau darauf, dass vor dem Reinspringen auch geduscht wird. Sünder werden verbal gemaßregelt, was auch gut so ist.

Kleiner Tipp: Wer die Damen von der rechten Beckenseite nach dem Bade freundlich grüßt und häufiger kommt, wird auch schon mal auf ein Glas Prosecco aus der Kühltasche eingeladen. Daneben hat das Vaihinger noch ein 25-Meter-Becken – das wird aber nicht geheizt, zumindest nicht spürbar. Deshalb ist es bis Ende Juni nur etwas für Kaltwasserfreunde. Aber die soll es ja auch geben. Beste Zeit für Schwimmer: 11.30 Uhr (Frühschwimmer im Büro, Mütter am Herd, Kinder noch in der Schule). Das gilt im Übrigen für alle anderen Bäder auch.

Möhringen: das feuerrote Ärgernis

In Möhringen gab es 2014 eine echte Revolution. Nach gefühlt 50 Jahren wurde ein feuerrotes Ärgernis tatsächlich entfernt. Das Seil des Anstoßes teilte optisch das Becken in einen flachen Bereich (Nichtschwimmer) und in einen tiefen Teil. Dummerweise schwamm das rote Seil mit seinen Plastikspiralen auf dem Wasser, sodass man sich beim Schwimmen dauernd darunter durchwursteln musste, was insbesondere beim Kraulen eine hohe Kunst war und nicht selten zu bösen Schulterverrenkungen führte. Generationen von Schwimmern flehten jahrzehntelang um eine andere Lösung, scheiterten aber an einer Verordnung, deren Verursacher sicher nie in seinem Leben geschwommen ist. Dann das Wunder – seit einem Jahr ist die Grenzlinie zwischen flach und tief hochgebockt, man kommt unter der neuen Abgrenzung durch. Barrierefreies Schwimmen in Möhringen. Aber auch hier gibt es die unsichtbare Trennlinie zwischen sportiven Kraulern und gemächlichen Wasserflaneuren. Nur andersrum als in Vaihingen. In Richtung Sprungturm geht es rechts schnell und links an den Massagedüsen vorbei eher ruhig zu. Generell sind die Möhringer Sportiven ein wenig gelassener, legen sich auch mal in die Sonne und haben nur selten Trinkflaschen dabei, schließlich gibt es unter den gelben Sonnenschirmen auch ein helles Hefe.

Höhenfreibad Killesberg: Relaxter als anderswo

Gut versteckt und ohne jeden Hinweis, wie man es denn finden könnte, thront das Höhenfreibad Killesberg im Norden sozusagen blickdicht hinter hohen Bäumen. Im neu sanierten Hauptbecken könnte man auch wunderbar Bahnen ziehen, aber das muss in dem Ambiente nicht wirklich sein. Eher ein bisschen im Wasser schaukeln, auf dem Killesberg gibt es schließlich einen „Wellenerzeuger“ wie das im Amtsdeutsch heißt. Noch besser – über dem Becken liegt ein Café mit Terrasse, der perfekte Ort um bei hausgemachtem Kuchen und Kaffee neueste Bademode in Textmarkergrün zu präsentieren, die alles werden darf nur nicht nass, weil das Grün dann nicht mehr so im Auge sticht. Gefühlt sind die Besucher auf dem Killesberg im Schnitt ein wenig gebräunter und relaxter als anderswo.

Untertürkheim: Stuttgarts einziges FKK-Becken

Runter geht es an den Neckar, ins Inselbad in Untertürkheim, das sich selbst „Sportbad“ nennt. Ist auch so. Im Sportbecken gibt es Bahnen, die Schwimmer dort wissen was Linksverkehr ist und man kann auch mal leibhaftige Schwimmer-Cracks oder Bundesliga-Wasserballer des SV Cannstatt sehen.

Letztere sind so gebaut, dass einem bei dem Anblick gerne ein wenig mickrig zu Mute wird. Aber im Inselbad gibt es so viele Becken, da kann man gut ausweichen, wer mag, sogar in Stuttgarts einziges FKK-Becken. Das Inselband ist tatsächlich so groß, dass es keine unsichtbaren Zonen in den Becken gibt, weil sich Sport und Plaisir komplett aus dem Weg gehen können.

Sillenbuch: nicht viel Platz zum Schwimmen

Das kann man vom kleinsten Freibad in Sillenbuchnicht behaupten. Im 25 Meter Becken ist nicht so viel mit Schwimmen, eher der Klassiker wie früher. Chips, Spezi, Bauch in die Sonne und ab und zu mal abkühlen. Wer richtig schwimmen will, ist hier falsch, wer mit seinen Kleinen mal ein wenig planschen möchte, genau richtig.