Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Das Bauwerk mit dem ersten gotischen Langhaus ist um 1330 fertig geworden. Der erste Turm mit einem offenen Turmhelm war damals eine Sensation. Im Vergleich zu anderen Kirchentürmen ist er auffallend schlank, der Basler Kunsthistoriker Jacob Burckhardt hat ihn 1896 schon als „den schönsten Turm auf Erden“ bezeichnet – eine Titulierung, auf die man in Freiburg besonders stolz ist. Zwischen 1380 und 1471 ruhten die Bauarbeiten, den Bauherren fehlte das Geld. Erst die Gründung der Freiburger Universität und kräftige Ablassspenden reicher Bürger brachten ausreichend Mittel zusammen für die Pyramiden der Hahnentürme und den gotischen Hochchor, der am 5. Dezember 1513 feierlich eingeweiht wurde. Im Schlussstein der nicht öffentlich zugänglichen Schatzkammer in der Sakristei ist das Jahr 1597 als offizielles Bauende eingemeißelt.

 

Eine geniale Konstruktion mit Schwachstellen

Formell ist die Freiburger Bischofskirche eine Kathedrale und könnte auch Dom genannt werden, doch sie heißt nach wie vor „Münster“, so wie einst die Klosterkirchen und im Mittelalter die Großkirchen. Wer zum Freiburger Tourismus-Magnet „Dom“ sagt, verrät, dass er nicht aus Freiburg stammt. Der gotische Turm mit seinen 19 Glocken, der einzige noch stehende, der im Mittelalter fertig wurde, ist seit neun Jahren verhüllt. Als sich in einer regnerischen und windigen Nacht im Sommer 2005 ein Maßwerkteil löste und herabstürzte, war schnell klar, dass es nicht um einen Stein, sondern ums Ganze ging. „Dieser Turmhelm ist ein Wunderwerk“, sagt Steinmetz und Polier Tilmann Borsdorf von der Münsterbauhütte, „es gibt kein zusätzliches Stützwerk, die Konstruktion trägt sich selbst.“ Die Turmpyramide sitzt auf einem achteckigen Geschoss, das von einem eisernen Ringanker zusammengehalten wird. Weitere Ringanker aus geschmiedetem Eisen sind auf den sieben Helmetagen in die umlaufenden Steine eingelassen und mit Mörtel und Blei versiegelt. Doch die geniale Konstruktion ist auch eine Schwachstelle: „Weil die Ringanker alles halten müssen, drückt die Steinkonstruktion nach außen“, erklärt Borsdorf. Dadurch bekommen die Steine Risse, das Bauwerk wird instabil, Wasser kann eindringen. Die Experten entschieden, dass sechs Ecksteine ausgetauscht werden müssen – ausgerechnet die tragenden Verbindungselemente. Das ist ungefähr so, wie wenn man an einem Auto ohne Wagenheber ein Rad wechseln möchte. Bis heute hat alles reibungslos funktioniert. Wenn es weiterhin so gut läuft, könnte das Gerüst Ende 2016 abgebaut werden.