Mit dem Zug von Tübingen nach Bad Cannstatt: unterwegs mit Trikot- und Trachtenträgern, mit Fußballfans und den Besuchern des Frühlingsfests. Eindrücke aus dem Regionalexpress.

Bad Cannstatt - Kurz vor dem Ziel bringt es eine Mitreisende auf den Punkt: „Steigen sie alle in Bad Cannstatt aus?“, fragt sie in die dicht gedrängte Menge. Das zustimmende Gemurmel quittiert sie mit dem Satz: „Das hätte ich mir ja denken können, entweder kariert oder mit Schal.“

 

Genau so ist es an diesem Samstagmittag. Im Regionalexpress herrscht Einheitslook. Bis auf wenige Ausnahmen tragen die Fahrgäste bayerische Tracht oder rot-weißes Trikot. In wenigen Stunden wird der VfB Stuttgart in der Mercedes-Benz-Arena sein letztes Heimspiel in dieser Saison gegen den VfL Wolfsburg bestreiten. Gleichzeitig geht das Frühlingsfest auf dem Cannstatter Wasen in die heiße Phase. Fast könnte man meinen, der Regionalexpress pendele heute nur zwischen Stuttgart und Tübingen, um Fußball-Fans und Wasen-Besucher aus der Region nach Bad Cannstatt zu bringen.

Eine Horde von Trikot- und Trachtenträgern entert den Zug

Dabei hatte in Tübingen am späten Vormittag alles so normal begonnen. Pünktlich um 12.23 Uhr fährt der Regionalexpress in den Hauptbahnhof der Universitätsstadt ein. 14 Minuten steht er am Gleis 2, bevor es um 12.37 Uhr zurück nach Stuttgart geht. Im Bahnhof ist nicht viel los, vereinzelt kommen Fahrgäste angelaufen und steigen in den Zug. Mit der Ruhe ist es allerdings schlagartig vorbei, als am gegenüberliegenden Gleis die Hohenzollerische Landesbahn anhält. Eine Horde von Trikot- und Trachtenträgern steigt aus und entert den Regionalexpress.

Mit der Ansage „nächster Zug, nächstes Bier“ werden auf dem Vierer gegenüber bereits kurz nach der Abfahrt die ersten Flaschen geköpft. Drei Jungs, dreiviertel lange Lederhosen mit knallig blauen Nike-Turnschuhen, haben es sich dort bequem gemacht. Ihre Getränke, kein hochprozentiges Zeug, sondern Limo mit Bier, führen sie in einer schwarzen Plastiktüte mit sich. Die Stimmung ist ausgelassen. Der ein wenig skeptisch dreinblickende Herr im grauen Anzug auf dem Nachbarsitz wird mit dem Satz begrüßt: „Wollen Sie auch eins?“ Dieser lehnt das angebotene Bier allerdings dankend ab und ist vermutlich auch nicht allzu enttäuscht, als er kurz darauf in Reutlingen den Zug verlassen muss.

Jetzt sind die VfBler an der Reihe. Eine ganze Gruppe von Fußball-Fans betritt das Abteil. Die einen haben ihren Sitzplatz im Stadion bereits sicher, während die anderen die Zugfahrt nutzen, um noch eine Eintrittskarte zu ergattern. Es wird gescherzt, dass im gegnerischen Block sicher noch viele Plätze frei seien, weil die Wolfsburger-Fans vermutlich höchstens mit zwei VW-Bussen anreisen.

Da werden Blusen zurecht gezupft und Zöpfe geflochten

Von Station zu Station steigt die Stimmung im Zug. Bierkästen stehen im Gang, Schnapsfläschchen werden auf den Vordersitz geklopft und geleert. Es riecht nach Alkohol. Kurz vor Nürtingen ist der Geräuschpegel bereits so hoch, dass man die Durchsage des Schaffners nicht mehr verstehen kann. „Katastrophal“, fasst dieser die Situation denn auch zusammen. Wenn nur der VfB spiele, sei das kein Problem. Aber Fußballspiel und Frühlingsfest, da komme doch einiges zusammen, meint Zugbegleiter Rainer Standfuß.

Doch nicht alle Fahrgäste können die Fahrt mit dem Regionalexpress bereits zum Feiern nutzen. Gerade das weibliche Geschlecht hat oft noch andere Dinge zu tun. Da werden Dirndl-Blüschen zurecht gezupft und Zöpfe geflochten. Auch Aline Werner verpasst ihrer Kollegin Sandra Parzen gerade noch schnell die passende Festfrisur, bevor sich die zwei ganz der Vorfreude auf den nahenden Wasen-Besuch hingeben können. Zu fünft ist die Gruppe unterwegs, zwei Männer, drei Frauen, alle aus Reutlingen und alle beim gleichen regionalen Fernsehsender beschäftigt. Über die Frage, ob die Zugfahrt für sie zu einem perfekten Frühlingsfest-Tag bereits dazu gehört, müssen die Fünf nicht lange nachdenken. „Definitiv“, antwortet Katarina Vilela. So dürften das auch die meisten anderen Fahrgäste im Regionalexpress sehen.