Im Auftrag des Untertürkheimer Bürgervereins hat der Historiker Olaf Schulze Interessierten Einblicke in die Geschichte der Cannstatter Brücken gewährt.

Bad Cannstatt/Untertürkheim - Wer etwas über den Neckar lernen möchte, dem empfiehlt sich seit Anfang April der Gang ins Ortsmuseum Rotenberg. In einer Ausstellung zeigt der Bürgerverein Untertürkheim dort anhand von Fotos, Zeichnungen und Postkarten die Geschichte Stuttgarter Neckarbrücken. Weil es sich aber lohnt, Dinge mit eigenen Augen zu sehen, lud der Verein nun zu einem Spaziergang mit dem Historiker Olaf Schulze über die Bad Cannstatter Brücken. Es wurde ein Marsch zwischen Vergangenheit und Zukunft.

 

Die DDR-Rocker von „Karat“ hätten vermutlich ihre Freude daran gehabt, doch der Titel, den der Bürgerverein Untertürkheim um seinen Vorsitzenden Klaus Enslin für die Führung gewählt hatte, war trügerisch. „Über sieben Brücken wirst du gehen“, versprach der und konnte es doch nicht halten. Lediglich fünf waren es tatsächlich, weil die Baumaßnahmen rund um Stuttgart 21 das Erscheinungsbild auch am Neckar verändern. Einige Brücken sind schon nicht mehr zugänglich, andere werden bald folgen. Der Elefantensteg und die Holzbrücke, die 1977 zur Bundesgartenschau entstanden und die Verbindung zwischen dem Rosensteinpark und dem Seilerwasen bilden, stehen vor dem Abbruch, was der Historiker Olaf Schulze vor allem im Bezug auf den 158 Meter langen Holzsteg bedauert, bei seiner Eröffnung die neuntlängste Holzbrücke der Welt.

Die Wilhelmsbrücke war die erste Brücke über den Neckar

Doch Schulze begann seine Ausführung an historischerer Stätte. Denn die am 27. September 1838, am Geburtstag des Königs, Initiators und Namensgebers, eingeweihte Wilhelmsbrücke war die erste und bis Mitte des 19. Jahrhunderts einzige Brücke über den Neckar, heute sind es zwischen Villingen-Schwenningen und Mannheim 220. An selber Stelle hatte sie bereits Vorgänger, vermutlich schon in der Römerzeit, und im Sommer des Jahres 1796 standen auf ihr Soldaten im Auftrag Napoleons dem habsburgischen Heer gegenüber.

König Wilhelm I. grübelte von 1821 an fast eineinhalb Jahrzehnte über die Neukonstruktion der Cannstatter Brücke, in seinem Auftrag schuf Gottlieb Christian Eberhard von Etzel „eine schöne, elegante Steinbrücke“, wie Schulze berichtete, von der die Cannstatter noch lange nach ihrer Sprengung im Jahr 1929 schwärmten. Als die Stadt Stuttgart den Neubau plante und einen nur vier Meter breiten Steg vorsah, begehrte der Cannstatter Bürgerverein auf, kämpfte fünf Jahre – und setzte sich durch.

Die König-Karls-Brücke wurde 1893 freigegeben

Schulzes Spaziergang führte weiter über die 1929 im Zuge der zunehmenden Industrialisierung der Pragstraße fertiggestellte Rosensteinbrücke und endete auf der König-Karls-Brücke, die 1893 ebenfalls an einem 27. September, dem Volksfesteröffnungstag, freigegeben wurde. Bis zu 400 Arbeiter waren am Bau beteiligt gewesen, einige von ihnen bewerkstelligten mit Helmtauchgerät die besonders komplizierte und fortschrittliche Verankerung von vier Brückenpfeilern per Druckluftverfahren im Neckargrund.

Einen längeren Blick warfen die Spaziergänger auf die Eisenbahnbrücke, deren Zukunft offen ist. Für Stuttgart 21 wird sie nicht gebraucht, ein Abriss ist aber nicht vorgesehen. Schulze sieht darin die Chance, sie in eine Parklandschaft umzuwandeln und Platz für Flohmärkte und Kulturveranstaltungen im Tunnelmund zu schaffen. Dem bei der Führung anwesenden Sprecher der Grünen im Bezirksbeirat Bad Cannstatt, Peter Mielert, gefällt das. Er hat einen ähnlichen Antrag schon 1998 gestellt.