Wegen des Verdachts auf Untreue ermittelt die Staatsanwaltschaft Karlsruhe gegen Verantwortliche der Führungsakademie des Landes. Auslöser ist eine anonyme Strafanzeige. Die Kaderschmiede weist die Vorwürfe zu ihrem Finanzgebaren strikt zurück.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart / Karlsruhe - Kurz vor dem Abschied des langjährigen Generalsekretärs ist die Führungsakademie Baden-Württemberg ins Visier der Justiz geraten. Die Karlsruher Staatsanwaltschaft ermittelt gegen namentlich nicht benannte Verantwortliche der Kaderschmiede des Landes wegen des Verdachts auf Untreue. Dies bestätigte ein Behördensprecher der Stuttgarter Zeitung. Auslöser des Verfahrens sei eine anonyme Strafanzeige zum Finanzgebaren der Akademie, nach deren Prüfung man einen Anfangsverdacht bejaht habe; Dauer und Ausgang der Ermittlungen seien derzeit nicht absehbar.

 

Der zum Jahresende nach mehr als zwanzig Jahren ausscheidende Generalsekretär Thomas E. Berg weist die Vorwürfe allesamt als unbegründet zurück. Bei der jährlichen Prüfung durch einen Wirtschaftsprüfer habe es nie Beanstandungen gegeben, betont er; auch der Landesrechnungshof habe nichts moniert. Das Staatsministerium hat eine eigene Untersuchung im Auftrag des Aufsichtsrates angekündigt, aber inzwischen bis zum Abschluss der Justiz-Ermittlungen zurückgestellt. Wegen des schwebenden Verfahrens könne man sich derzeit nicht äußern, teilte eine Sprecherin mit. Vorsitzender des Aufsichtsrates ist der Chef der Staatskanzlei, Staatsminister Klaus-Peter Murawski (Grüne).

Vorwürfe aus den Reihen der Mitarbeiter

Als Urheber der Strafanzeige wird ein Insider aus der Führungsakademie vermutet. Mit teilweise den gleichen Vorwürfen hat sich ein Mitarbeiter, von dem man sich inzwischen getrennt hat, unter vollem Namen an die Regierung und die Fraktionen des Landtags gewandt. In den Schreiben moniert er zum einen den Führungsstil an der Eliten-Schmiede, der unter anderem durch „Ausbeutung und Demütigung“ geprägt sei; dies schlage sich im Krankenstand und der Personalfluktuation nieder. Zum anderen rügt er das Finanzgebaren der Akademie, insbesondere im Zusammenhang mit Aufträgen an Externe. In der Strafanzeige werden sechsstellige Zahlungen an die Chefin eines Karlsruher Coaching-Institutes thematisiert, hohe Honorare für auswärtige Referenten und Berater sowie Aufwendungen für angeblich überzogene Dienstreisen ins Ausland.

In einer mehrseitigen Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft weist Berg die Vorwürfe namens der Führungsakademie detailliert zurück. So verteidigt er die Kooperation mit dem Coaching-Institut, die auf der Basis von Ausschreibungen erfolge, und die teils über den internen Höchstgrenzen liegenden Honorare für Referenten. Um sehr gute Leute zu bekommen, zahle man in Einzelfällen ausnahmsweise Tagessätze bis zu 1500 Euro. Auch die Besuche von Akademievertretern an den Auslandsstationen von Lehrgangsteilnehmern seien sinnvoll und notwendig gewesen; inzwischen verzichte man zunehmend darauf. Vorwürfe zur Nutzung seines Dienstwagens seien ebenfalls ohne Substanz, betont der Generalsekretär.

Zwei Jahrzehnte an der Spitze

Das Betriebsklima in Karlsruhe wird von der Akademieführung als gut dargestellt. Dies bestätigten auch Befragungen unter den etwa 35 Mitarbeitern, die sich stark mit der Kaderschmiede identifizierten. Als häufigstes Problem wird dabei allerdings Überlastung genannt – offensichtlich eine Folge der erfolgreichen Entwicklung der letzten Jahre. In Regierungskreisen hieß es inoffiziell, die Kritik des Insiders sei vermutlich übertrieben, es gebe aber wohl durchaus Handlungsbedarf. Ungeachtet aller Verdienste Bergs könne es der Akademie gut tun, wenn es nach mehr als zwei Jahrzehnten nun frischen Wind gebe. „Die Führungsakademie – c’est moi, das bin ich“, wird Bergs Amtsverständnis angesichts seiner langen Zeit an der Spitze in Karlsruhe bespöttelt.

Der Jurist und einstige Ministerialbeamte leitet die Führungsakademie seit 1995 als hauptamtlicher Generalsekretär zusammen mit einem ehrenamtlichen Präsidenten. Derzeit ist dies der noch bis 2018 bestellte Grünen-Finanzexperte Ralph Bürk. Nach Angaben der Regierung scheidet der 65-jährige Berg „auf eigenen Wunsch“ aus; dies habe er dem Präsidenten bereits vor einem Jahr mitgeteilt. Ein Zusammenhang zu den Ermittlungen besteht offenkundig nicht. Sein aktueller Fünf-Jahres-Vertrag endet im November.

Nachfolger ist gefunden, aber noch geheim

Das Vorschlagsrecht für die Nachfolge Bergs haben die Grünen; dies ergibt sich aus den jüngst bekannt gewordenen Nebenabreden der Koalition. Bereits Anfang Juli habe der Aufsichtsrat einen Nachfolger gewählt, berichtete das Staatsministerium auf Anfrage dieser Zeitung. Um wen es sich handelt, wurde zunächst nicht mitgeteilt. Begründung: die Vertragsverhandlungen dauerten noch an. Nach Vertragsabschluss werde man den Neuen, der das Amt Anfang Dezember antreten solle, der Öffentlichkeit vorstellen.

Von ihm werden wesentliche Impulse für die Neuausrichtung der Führungsakademie erwartet. Diese befinde sich „derzeit in einer Umbruchsituation“, bestätigte eine Regierungssprecherin. Ihre Zukunftsfähigkeit solle mit wichtigen Projekten gesichert werden – so dem Konzept „Führung 2020“, das auf die immer komplexer werdenden Führungsfragen reagiert, mit einer Weiterentwicklung des Führungslehrgangs und mit der in Heilbronn geplanten „School of Governance“.