Verkappte Zulagen aus den Kassen der Landtagsfraktionen sind verfassungswidrig, sagt Parteienkritiker Hans Herbert von Arnim im StZ-Interview

Stuttgart - Verfassungsrechtler und Parteienkritiker Hans Herbert von Arnim kritisiert die Altersvorsorge der Abgeordneten in deutschen Parlamenten. Sie kämen einem Zusatzeinkommen gleich.

 
Herr von Arnim, werden die Abgeordneten in den deutschen Parlamenten adäquat bezahlt?
Im Prinzip ja, problematisch ist allerdings die oft üppige Altersversorgung. Fragwürdig sind zum Beispiel auch überzogene Mitarbeiterpauschalen sowie die steuerfreien Kostenpauschalen, die in einigen Parlamenten sehr hoch liegen und, sofern die Pauschale nicht ausgeschöpft wird, ein Zusatzeinkommen darstellen. Problematisch sind auch die Beschlussverfahren, mit denen die in eigener Sache entscheidenden Abgeordneten der öffentlichen Kontrolle ausweichen wollen.
Wie beurteilen Sie die Zahlung sogenannter Funktionszulagen an Abgeordnete in hervorgehobenen Positionen in Parlament oder Fraktion?
Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2000 am Beispiel Thüringens ein Grundsatzurteil gefällt, dass Zulagen für Parlamentspräsidenten, Vizepräsidenten und Fraktionsvorsitzende zulässt, für alle anderen aber nicht. Das leuchtet auch ein. Nach den Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts werden alle Abgeordneten leicht alimentiert, unabhängig davon, ob sie weniger arbeiten oder wegen der Wahrnehmung einer besonderen Funktion eben mehr. Auch sollen finanzielle Abhängigkeiten von der Fraktion verhindert werden, die die Freiheit des Mandats beeinträchtigen. Das Urteil betraf Regelungen nach dem Abgeordnetengesetz, gilt aber auch für Zuwendungen aus den staatsfinanzierten Fraktionskassen. Denn die Fraktionen können keine größere Autonomie in Anspruch nehmen als das Parlament selbst. Dennoch werden Zulagen über die Fraktionskassen abgewickelt unter anderem mit dem Argument, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gelte nur für Thüringen. Dazu ist zu sagen, dass das Gericht sein Urteil inzwischen mehrfach bestätigte und kenntlich machte, dass es sich um allgemeine Maßstäbe für die Beurteilung von Funktionszulagen handelt.
In Baden-Württemberg fließen aus den Fraktionskassen Zulagen unter der Bezeichnung „Aufwandsentschädigung“ an Vizefraktionschefs und teilweise auch an Arbeitskreisvorsitzende.
Man hat das einfach umetikettiert. Entstehen den Abgeordneten zusätzliche Kosten, wären Aufwandsentschädigungen zulässig. Das ist hier allerdings nicht der Fall. Dafür sind die „Aufwandsentschädigungen“ aus den Fraktionskassen, ich habe das am Beispiel der CDU gerechnet, viel zu hoch. Das ist verfassungswidrig.
Die CDU und die AfD geben keine Auskunft über die genaue Höhe der Zahlungen an einzelne Funktionsträger.
Das Bundesverfassungsgericht sagte bereits im Diätenurteil von 1975, Parlamente entscheiden in Einkommensfragen in eigener Sache, deshalb ist Öffentlichkeit die einzige wirksame Kontrolle. Das gilt auch für Zahlungen, welche die Fraktion leisten. Wenn man das nicht öffentlich macht, verstößt man gegen den verfassungsrechtlichen Transparenzgrundsatz.

Das Gespräch führte Reiner Ruf.