Der Wohnbaukonzern Vonovia will für fast neun Milliarden Euro den wichtigsten Konkurrenten Deutsche Wohnen kaufen. Dieses Unternehmen wiederum hat eigentlich ein Auge auf einen weiteren Wettbewerber geworfen.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Die zwei größten börsennotierten Konzerne auf dem deutschen Wohnungsmarkt stehen womöglich vor der Fusion. Der Marktführer Vonovia – früher Deutsche Annington –  will den direkten Konkurrenten Deutsche Wohnen komplett übernehmen und dafür fast neun Milliarden Euro zahlen. Entstehen würde der mit weitem Abstand größte private Immobilienriese mit mehr als 500 000 Wohnungen. Ob die feindliche Übernahme gelingt, ist offen. Die Deutsche Wohnen will selbstständig bleiben und hatte sich dazu erst kürzlich mit der Nummer drei unter den privaten Wohnungskonzernen, der LEG Immobilien in Düsseldorf, auf eine Fusion verständigt. Damit entstünde ein Anbieter mit gut 250 000 Quartieren, der sich für Vonovia mit 370 000 Wohnungen zu einem bedeutenden Rivalen entwickeln würde.

 

Das will der aggressiv wachsende Marktführer mit Hilfe seiner Übernahmeabsichten offenbar verhindern. Vonovia-Chef Rolf Buch bietet den Aktionären der Deutsche Wohnen knapp 26 Euro je Aktie. Bedingung sei aber, dass die Eigentümer die Fusion mit der LEG auf der außerordentlichen Hauptversammlung der Deutsche Wohnen am 28. Oktober ablehnen. Insgesamt will sich Vonovia-Chef Buch die Übernahme inklusive Schuldenübernahme sogar 14 Milliarden Euro kosten lassen. Der Chef von Deutsche Wohnen, Michael Zahn, will dagegen lieber weiter eigene Wege gehen und mit der LEG die Position der Nummer zwei im Markt stärken. Man halte an dem Angebot fest, hieß es. Vorstand und Aufsichtsrat halten die in Aussicht gestellte Prämie auf den letzten Schlusskurs der Aktie für „unattraktiv und inadäquat“, teilte Deutsche Wohnen mit. Zahns Fusionspläne stoßen aber angeblich auf Skepsis bei einigen Aktionären. Nun könnte er durch Buchs Vorstoß in die Defensive geraten. Zahn soll bereits Annäherungsversuche des Marktführers zurückgewiesen haben. Jetzt entscheiden seine Anteilseigner unter Rendite-Erwägungen über den weiteren Kurs.

Deutsche Wohnen lehnt das Ansinnen ab

Der Deutsche Mieterbund (DMB) sieht die Geschäfte großer Finanzinvestoren mit deutschen Wohnungen äußerst kritisch. „Wir brauchen keine Milliarden-Deals auf dem Immobilienmarkt und kein Wettbieten börsennotierter Unternehmen um deren Wohnungsbestände“, sagt DMB-Direktor Lukas Siebenkotten. Durch Fusionen, An- und Verkäufe von Wohnungen und Unternehmen entstehe keine einzige neue Wohnung. „Statt Wohnungshandel ist Wohnungsneubau notwendig“, forderte Siebenkotten. Derzeit fehlten 800 000 Wohnungen in Deutschland. Mindestens 400 000 müssten pro Jahr neu gebaut werden, 140 000 mehr als bisher.

Die Wohnungsprobleme werden nach Einschätzung von Experten durch die Ankunft Hunderttausender Flüchtlinge in Deutschland, die ein Dach über dem Kopf brauchen, noch deutlich wachsen. Besonders preisgünstiger Wohnraum ist in Ballungsräumen seit Jahren extrem knapp. Der soziale Wohnungsbau wurde in den vergangenen zwei Jahrzehnten von der Politik radikal zusammengestrichen, viele Millionen preisgebundene Quartiere  sind privatisiert worden. Bund, Länder und Kommunen verkauften ihre Bestände zumeist an internationale Finanzinvestoren, auch zahlreiche Werkswohnungen wechselten in deren Hände. Die neuen Eigentümer setzten auf hohe und schnelle Renditen, brachten die Wohnungsfirmen an die Börse und erzielten so hohe Gewinne.

Eine Reihe von Übernahmen in den vergangenen Jahren

Besonders Vonovia und Deutsche Wohnen schluckten reihenweise Konkurrenten und finanzierten die Übernahmen zum großen Teil über günstige Kredite. Beide Unternehmen werden wegen ihrer stark gewinnorientierten Unternehmenspolitik besonders von Mieterverbänden und Initiativen teils heftig kritisiert. Immer wieder kommt es zu Protesten wegen Mieterhöhungen, Luxusmodernisierungen, fehlenden Sanierungen und Privatisierungen von Wohnungen. Beide Konzerne sind bundessweit aktiv und rasant gewachsen. Vonovia übernahm erst im Sommer die Süddeutsche Wohnen (Südewo) mit 20 000 Wohnungen in Baden-Württemberg für 1,9 Milliarden Euro vom bisherigen Eigentümer Patrizia Immobilien. Unter dem Namen Deutsche Annington wurde das Unternehmen nach britischem Vorbild 2001 mit Sitz in Düsseldorf gegründet, gesteuert werden die Geschäfte aus der Hauptverwaltung in Bochum.   Annington übernahm unter anderem 65 000 Eisenbahner-Quartiere vom Bund (2001), die Viterra AG mit 152 000 Wohnungen (2005) und Ende 2014 den Konkurrenten Gagfah mit 145 000 Wohnungen, die zum guten Teil früher der staatlichen Deutschen Rentenversicherung gehörten. In der Finanzkrise geriet Annington in Turbulenzen und musste umschulden. Der Finanzinvestor Terra Firma Capital Partners verkaufte im vergangenen Jahr seine letzten Anteile, die der Investor an Deutsche Annington hielt. Im September 2015 wurde Vonovia in den Deutschen Aktienindex der 30 wichtigsten deutschen börsennotierten Unternehmen aufgenommen.

Die Deutsche Wohnen AG (Frankfurt) ist im M-Dax gelistet. Das Unternehmen startete 1998  als Tochter der Deutschen Bank und übernahm zunächst Wohnungsbestände von Rheinland-Pfalz und dem Chemiekonzern Hoechst. In Berlin kaufte der mittlerweile eigenständige Konzern die Konkurrenten Gehag und später die börsennotierte GSW, ehemals eine der ersten deutschen gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften.