Rom, Stadio Olimpico, 22. Juni 1980, das große Finale. Deutschland trifft auf Belgien, und der Eleganteste auf dem Platz ist Bernd Schuster, den sie den „Blonden Engel“ nennen. Schwerelos schwebt der Augsburger übers Feld und schüttelt die Bälle nur so aus dem Fußgelenk. Zum Niederknien ist vor allem sein Schlenzer gleich zu Beginn des Spiels – aber was wäre alle schöne Kunst wert ohne den hünenhaften Haudruff da vorne, der sich des Balles irgendwie annimmt, um ihn dann kurz und schmerzlos ins belgische Tor zu dreschen. 1:0, Hrubesch.

 

Die Belgier gleichen dann aus, und das Spiel steht auf der Kippe, bis zur vorletzten Minute. Ecke für Deutschland. Kalle Rummenigge schlenzt den Ball vors Tor, und dort weiß Hrubesch sofort, was er seinem Spitznamen „Kopfballungeheuer“ schuldig ist: Er steigt hoch, bringt seine 195 Zentimeter und 98 Kilo zur Entfaltung und wuchtet das Runde ins Eckige. „Siehst du, Horst“, sagt hinterher Journalist Krall, „der Papst lügt nicht.“

Der kurze Draht zum Himmel war für Hrubesch ein Segen. Denn nach menschlichem Ermessen war er viel zu spät dran. Er war schon 29 und macht sich in der Rückschau nichts vor: „Wenn Klaus Fischer sich nicht das Bein gebrochen hätte, wäre ich gar nicht dabei gewesen.“ So kam er acht Wochen vor der EM zu seinem ersten Länderspiel. Wenn der Fischer nicht kann, sagte sich Bundestrainer Jupp Derwall, nehme ich halt den Fischer vom HSV. Hrubesch war Angler, und wie Hemingway („Der alte Mann und das Meer“) schrieb er darüber sogar ein Buch („Dorschangeln vom Boot und an den Küsten“). Manchmal ging ihm ein fetter Lachs an den Haken, und als wir ihn einmal besuchten, erklärte er uns alle Köder bis hin zu den Bleibeschwerungen und sagte: „Ich kann Knoten knüpfen, mit denen man sich aufhängen kann.“

Aber vor allem konnte er die Kugel köpfen, dass sich die Gegner oft am liebsten aufgehängt hätten. Hrubesch hätte auch einen Flugkopfball gegen die Bordsteinkante hingekriegt. Jedenfalls war der Lange da, wenn mit Klein-Klein und Flach-Flach nichts mehr ging und die Balltätschler mit ihrem Latein am Ende waren. Er war die höhere Gewalt in Person, und wenn ihm Verteidiger Manni Kaltz von rechts die Bälle zuflankte, erledigte er den Rest zack, zack wie hinterher beim Interview: „Manni Banane, ich Kopf – Tor.“