Der Konflikt in der Ostukraine vertreibt die Erstligisten aus der umkämpften Stadt. Nach zwei Raketeneinschlägen in der Donbass-Arena, wo 2012 noch EM-Spiele ausgetragen wurden, ist an Fußball nicht mehr zu denken.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Donezk - Es ist nicht nur der mit 28 Tonnen Gewicht größte „schwimmende“ Granit-Fußball der Welt, der den ukrainischen Oligarchen Rinat Achmetow stolz auf sein Stadion gemacht hat. Tatsächlich ist die Donbass-Arena in der Nordstadt von Donezk mit ihrer Glasfassade und allerlei Luxus im Inneren ein imposanter Fußballtempel gewesen, nachdem sie 2009 nach drei Jahren Bauzeit pünktlich fertig war. Selbst Europas Fußballverband Uefa, der in seiner Klassifizierung für die Stadioninfrastruktur eigentlich nur vier Sterne kennt, war vom Pomp in der Donbass-Arena derart verzückt, dass man der Heimspielstätte des ukrainischen Erstligisten Schachtjor Donezk prompt fünf Sterne verlieh.

 

Die 53 000 Fans fassende Donbass-Arena ist daher auch gleich der Schauplatz einiger wichtiger Spiele gewesen. Drei Vorrundenpartien, ein Viertelfinale und das Semifinalduell zwischen Spanien und Portugal wurden während der EM 2012 in Donezk ausgetragen. Im März 2013 beehrte auch Borussia Dortmund im Achtelfinale der Champions League auf seinem Weg ins Endspiel das größte Schmuckkästchen des ukrainischen Fußballs. Nach dem 2:2 bei Schachtjor gab es im Rückspiel ein 3:0.

Im Rückblick auf diese großen Fußballfeste klingt die Nachricht noch betrüblicher, die auch Sergej Palkin am Samstag zu verdauen hatte. Denn bei den bewaffneten Kämpfen zwischen Regierungstruppen und prorussischen Separatisten ist nun auch das größte Stadion der Ostukraine schwer beschädigt worden. Von zwei heftigen Einschlägen seien die Donbass-Arena selbst und eine nahegelegene Elektrizitätsstation betroffen, erklärte der betrübte Donezk-Clubchef Palkin. Verletzte oder Tote unter dem Stadionpersonal habe der Beschuss zum Glück nicht gefordert.

Ostukrainische Clubs gehen ins Exil

Professionelle Fußballspieler trifft man in der Donbass-Arena seit Ausbruch des Bürgerkriegs im Osten des Landes ohnehin nicht mehr an. So sind die vier Clubs der Premjer Liha, der obersten Spielklasse, nämlich Schachtjor, Metalurg und der Aufsteiger Olimpik Donezk sowie der FC Sorja Luhansk längst geflüchtet. Während die drei Erstgenannten ihre Spiele im sicheren Lwiw (Lemberg) austragen, wo der deutschen Nationalelf während der EM 2012 gegen Portugal (1:0) und Dänemark (2:1) zwei Vorrundensiege gelangen, hat die Equipe aus Luhansk im Süden des Landes, in Saporischschja, Unterschlupf gefunden.

„Am Ende wird das Team Meister, welches sich mit den widrigen Umständen am Besten arrangiert“, sagt Mircea Lucescu, der Trainer des Champions-League-Starters Schachtjor Donezk. Bereits am 20. Juli hatte der Rumäne hinnehmen müssen, dass sich sechs seiner Profis, fünf Brasilianer und ein Argentinier, nach einem Testspiel bei Olympique Lyon (1:4) vom Team absetzten. „Wir fürchten bei einer Rückkehr um unser Leben“, ließ das Sextett verlauten, das eine Woche später aber nach Kiew zurückkehrte, dorthin wo das Schachtjor-Team bis auf Weiteres untergebracht ist und auch trainiert.

Einem der sechs, dem Argentinier Facundo Ferreyra, gelang anschließend aber noch ein Schachzug, um den ihn viele der hoch bezahlten Fußballerkollegen beneiden: Der englische Premier-League-Club Newcastle United lieh ihn aus, sodass er die krisengeschüttelte Ukraine hinter sich lassen konnte. Doch dieser Transfer ist eine Ausnahme.

Denn in der Premjer Liha, in der sich Oligarchen wie der Schachtjor-Besitzer Rinat Achmetow, der angeblich vermögendste Mann der Ukraine, oder der ebenfalls schwerreiche Igor Surkis von Dynamo Kiew auch mittels Profifußball ihr regionales Machtrefugium sichern, spielen die Auslandsprofis allesamt zu hohen Gagen. Abnehmer sind für sie somit schwer zu finden. Weil durch die Krise auch der nationale Markt lahmt, wurden an der ukrainischen Fußballbörse, die zu Spitzenzeiten 130 Millionen Euro an Transfersummen generierte, vor dem Saisonstart Ende Juli nur rund acht Millionen Euro umgesetzt.

Krim-Vereine spielen in der russischen Liga

Doch auch sportlich bewegt sich der ukrainische Fußball auf unsicherem Terrain. So ist die erste Liga nach der Annexion der Krim durch Russland nur noch mit 14 statt wie im Vorjahr mit 16 Clubs bestückt. Die beiden Krim-Clubs Tawrija Simferopol und FK Sewastopol haben bereits ihr Auftaktspiel in der dritten russischen Liga hinter sich. Zwar haben der Rochade bisher weder die Uefa noch die Fifa zugestimmt, und der ukrainische Verband protestierte heftig; doch mittels einer Neugründung der Clubs – aus FK ist inzwischen SKChF Sewastopol geworden – und einer Eingliederung in Liga drei sieht man von russischer Seite das Problem galant umschifft.

Unterdessen läuft auch in der Ukraine der Ligabetrieb weiter. Nach vier Spieltagen liegt Schachtjor Donezk mit vier Siegen wie gewohnt vorne. Doch im 1000 Kilometer entfernten Exil in Lemberg wollten zuletzt gerade einmal 4800 Fans den Serienmeister der vergangenen fünf Spielzeiten sehen. Und das trotz Ticketpreisen von umgerechnet nur 90 Cent. Doch viele Fußballfans in der Ukraine stehen dem Profibetrieb schon länger kritisch gegenüber. Verkörpern doch die machtvollen Oligarchen auf den Chefsesseln der Spitzenclubs Schachtjor Donezk, Dynamo Kiew, Metalist Charkiw und Dnjepr Dnjepropetrowsk alles andere als die Werte der Demokratie.