Doping im Profifußball? Das Ableben mehrerer italienischer Ex-Profis heizt Diskussionen um dubiose medizinische Praktiken in der Serie A an.

Florenz - Ein berühmter Fußballer ist Giorgio Mariani nicht gewesen. Der Stürmer mit der Ausbeute von 29 Toren in 158 Serie-A-Spielen fiel zu Lebzeiten eher durch viele Vereinswechsel auf (zehn Vereine in 13 Jahren). Erst mit dem Sterben macht er nun Schlagzeilen. Sein in der vergangenen Woche durch einen Krebs verursachter Tod im Alter von nur 65 Jahren reiht sich ein in die Serie von mittlerweile mehr als einem Dutzend teils ominöser Todesfälle italienischer Fußballprofis, die in den 60er und 70er Jahren aktiv waren.

 

Besonders der AC Florenz, bei dem Mariani den Nachwuchs durchlief und später drei Profijahre inklusive Meistertitel 1969 verbrachte, ist davon betroffen. Leukämie raffte den Mittelfeldrenner Bruno Beatrice im Alter von 39 Jahren hinweg. Der kantige Verteidiger Ugo Ferrante starb mit 59 an Kehlkopfkrebs, der Stürmer Nello Saltutti mit 56 an einem Infarkt. Eine nach einer Anzeige der Witwe Beatrices eingeleitete Untersuchung der Florentiner Staatsanwaltschaft machte auch auf die Todesfälle dreier weiterer Ex-Fiorentina-Spieler sowie zahlreiche schwere Erkrankungen aufmerksam.

Amphetamine, Micoren und Cortex

Diese Häufung prägte den Begriff vom „Fluch der Fiorentina“. Beatrices Witwe Gabriella Bernardini hielt eine Strahlenbehandlung ihres Mannes, die eine Turbogenesung nach einer Schambeinentzündung einleiten sollte, für die Todesursache und strengte einen Strafprozess an. Der wurde vor zwei Jahren aber wegen Verjährung eingestellt. Bernardini berichtete jedoch von weiteren dubiosen medizinischen Praktiken in der Serie A wie etwa 90-minütige Infusionen am Spieltag.

Deren aufputschende Wirkung erinnert an Erzählungen dopender Radprofis aus dieser Zeit. „Danach hielt Bruno nicht eine Minute still. Der Effekt hielt bis zum Dienstag an. Die zwei Nächte dazwischen hat er praktisch nicht geschlafen“, erinnerte sich Bernardini. Im Umlauf waren neben Amphetaminen vor allem die Präparate Micoren und Cortex. Micoren führte zu einem höheren Sauerstoffgehalt im Blut, Cortex begünstigte die Erholung und die Muskelbildung. Diese Praxis war weitverbreitet.

Selbst die heute als Trainer aktiven Fabio Cappello und Luciano Spalletti gaben in der Vergangenheit in italienischen Medien zu, in ihrer aktiven Laufbahn Micoren eingenommen zu haben. Spalletti strich allerdings den leistungsmindernden Aspekt heraus. „Unter dem Einfluss von Micoren habe ich die schlechtesten Spiele gemacht und es danach nicht mehr genommen“, erklärte er vor fünf Jahren. Ohne Angst vor Sanktionen übrigens, denn zu seinen aktiven Zeiten war das Mittel nicht als Dopingsubstanz aufgeführt.

„Lieber lebe ich auf der Bank, als als Stammspieler zu sterben“

Wissenschaftlich ist bisher allerdings noch keine eindeutige Verbindung der Medikamentenvergabe mit den Krankheiten und Todesfällen erwiesen. Mehrere Fußballprofis sind jedoch von einem Zusammenhang überzeugt. Der frühere Inter-Stürmer Ferruccio Mazzola beschrieb in einem 2004 herausgekommenen Buch, wie der legendäre Inter-Coach Helenio Herrera den Spielern Pillen ausgab. Er vermutete darin Aufputschmittel und hielt das frühzeitige Sterben von insgesamt sieben Inter-Spielern der 60er Jahre für eine Folge dieser Praktiken.

Der Club strengte einen Verleumdungsprozess gegen Mazzola an, verlor jedoch und musste die Gerichtskosten übernehmen. Der in der vergangenen Woche verstorbene Giorgio Mariani verbindet mit seiner Karriere die beiden Clubs. In den 60er Jahren spielte er in Florenz, 1973/74 bei Inter – pikanterweise genau in der Saison, in der der Rückkehrer Helenio Herrera dort auch wieder als Trainer wirkte.

Sein Tod widerlegt jetzt auf sehr makabere Weise den Ausspruch eines bisher Davongekommenen. „Lieber lebe ich auf der Bank, als als Stammspieler zu sterben“, hatte der frühere Serie-A-Profi Aldo Agroppi vor fast genau vier Jahren während des Beatrice-Prozesses gesagt und vor den Spätfolgen einer medikamentös erzeugten Dauerspitzenleistung gewarnt. In Giorgio Mariani hat es nun einen ehemaligen Bankdrücker erwischt.