Seine Aussagen zur Wettmanipulation haben den serbischen Profifußballer Dragisa Pejovic seine Karriere gekostet. Bis heute lebt er in Angst.

Korrespondenten: Thomas Roser (tro)

Loznica - Die Drohanrufe haben ihm monatelang den Schlaf geraubt. Erst seit Kurzem ist es ruhiger geworden. Dragisa Pejovic wirkt auch in seiner neuen Heimat sichtlich angespannt. Nervös schaut der drahtige Mann aus dem Fenster des Cafés, erfasst jede Bewegung auf dem Kreisverkehr in der westserbischen Provinzstadt Loznica. „Ich habe Angst – bis heute“, gesteht der 30-jährige Profifußballer, „ich denke immer daran, was alles passieren könnte, im serbischen Fußball wimmelt es von Kriminellen.“

 

Die Nummern der Anrufer waren immer unterdrückt, keiner konnte überführt werden. „Wir brechen Dir die Beine, Du wirst nie mehr Fußball spielen!“ Es waren im Grunde immer die gleichen Dauerbotschaften, mit denen der Linksverteidiger verbal beschossen wurde und die schließlich auch seine Familie trafen. „Manchmal nahm meine Frau ab, sie bedrohten auch sie und unser Kind“, erzählt Pejovic – die Empörung ist ihm anzuhören. Pejovic ist der einzige serbische Profispieler, der über seine Erfahrungen mit den Machenschaften der Fußballmafia öffentlich geredet hatte. „Ich habe verschobene Spiele gespielt. Nicht weil ich es wollte, sondern weil ich es musste“, so sein Selbstbekenntnis bei der Vorstellung eines Schwarzbuchs des osteuropäischen Fußballs in Brüssel: „Ich wurde von unserem Management dazu gezwungen.“

Der Traumberuf Profifußballer verliert allen Glanz

Laut Erhebung der internationalen Fußballergewerkschaft FIFpro müssen über 41 Prozent der 3357 befragten Profis in Ost- und Südosteuropa monatelang auf ihre Gehälter und Prämien warten. Jeder zehnte wurde schon einmal Opfer tätlicher Übergriffe – ob von Fans, Vereinschefs oder Trainer. Elf Prozent der Spieler geben gar an, zu „verschobenen Spielen“ gezwungen worden zu sein. Eine Reaktion der betroffenen Verbände auf die schockierenden Befunde der Spielergewerkschaft blieb aus.

Detailliert schildert Pejovic, wie der Traumberuf Profifußballer bereits 2004 für ihn allen Glanz verlor. Er spielte damals beim Erstligisten Borac Cacak. Am Vorabend des Turniers gegen den Hauptstadtverein Partizan Belgrad wurden die wichtigsten Stammspieler kurz vor Mitternacht vom Manager aus ihren Betten geholt. Das Spiel und der Sieg seien dem Gegner zu „überlassen“, so die Vorgabe des Arbeitgebers. Andernfalls drohten Gehaltskürzungen und der Rauswurf aus der Stammelf.

Der Mut hat sich für ihn nicht ausbezahlt

Dass es sich keineswegs um leere Drohungen handelte, musste der Verteidiger später am eigenen Leib erfahren. Als er 2009 vor der anstehenden Verlängerung seines Vertrags auf die Auszahlung der noch ausstehenden Gehälter und Prämien in Höhe von 10 000 Euro pochte, wurde der Stammspieler monatelang nicht mehr aufgestellt – und sein Gehalt von 1000 erst auf 300 und schließlich auf 150 Euro im Monat gekürzt. Einmal sei ihm der Manager selbst vor versammelter Mannschaft an die Gurgel gegangen: „Das Jahr war einfach die Hölle. Sie verschlossen mir selbst bei anderen Clubs die Türe – und zerstörten meine Karriere“, sagt Pejovic.

2010 fand der Sportler schließlich bei einem Zweitligisten zeitweise Unterschlupf. Dragisa Pejovic sei „ein Held“, pries ihn nach seinem Auftritt in Brüssel die niederländische Europaparlamentarierin Emine Bozkurt. Der Mut des unerschrockenen Linksverteidigers hat sich für ihn nicht ausbezahlt: Privat und beruflich hat der mittlerweile in der dritten Liga kickende Serbe für sein Zeugnis gegen die Fußballmafia teuer bezahlt.

Seine Ehe hielt dem Druck der Drohungen nicht stand. Die meisten Freunde reagierten zu seiner Enttäuschung mit Unverständnis. Direkt nach seiner Rückkehr kündigte Serbiens Fußballverband FSS eine Suspendierung des vermeintlichen Nestbeschmutzers und eine Anklage bei der Staatsanwaltschaft an: Nur auf Intervention von Europaparlamentariern und der Fußballergewerkschaft blieb Pejovic eine lange Sperre erspart. Gemeinsam mit seinem früheren Kapitän Boban Dmitrovic sagte er bei der Polizei in Cacak zwar über die verschobenen Spiele von Borac aus, aber die Unterlagen verschwanden folgenlos in einer Schublade: „Hier kennt jeder jeden – und die Leute vom Verein kennen natürlich auch Leute bei der Polizei.“

In Serbiens Superliga wird er wohl nie mehr antreten

Borac Cacak sei nur ein Beispiel von vielen, „200 andere Profis in Serbien könnten Ähnliches berichten“, sagt Pejovic. Im neulich vorgestellten Bericht der europäischen Polizeibehörde Europol über die vielfachen Manipulationen der internationalen Wettmafia wurde Serbien indes nicht erwähnt. „Das zeigt, dass wir sauber sind“, triumphierte der Präsident des Fußballverbandes Tomislav Karazdic. Eine schlüssigere Erklärung für das Desinteresse der Europol-Ermittler hat das Wochenblatt „Nin“: „Unsere Liga ist so unbedeutend, dass man auf ihre Spiele nur in heimischen Wettbüros wetten kann.“

In Serbiens Superliga wird Dragisa Pejovic wohl nie mehr antreten. In seiner Not wechselte er zum Provinzklub FK Loznica. Nicht nur finanziell sei das Leben für ihn jetzt sehr schwer, klagt Pejovic. Er könne Ungerechtigkeiten aber einfach nicht ertragen, sein Feldzug gegen die Fußballmafia sei richtig gewesen. „Doch allein kann man gar nichts ändern.