Mit fulminanten Auftritten als streitbare Drachenmutter in der TV-Kultserie „Game of Thrones“ hat die britische Schauspielerin Emilia Clarke Weltruhm erlangt, nun möchte sie in der gerade gestarteten Verfilmung des Jojo-Moyes-Bestsellers „Ein ganzes halbes Jahr“, die große Leinwand zu erobern.

Miss Clarke, sind Sie es wirklich?
(Lacht) Ja, ich bin es. Emilia Clarke höchstpersönlich. Sollten Sie allerdings Daenerys Targaryen suchen, müsste ich mir wohl schnell meine blonde Perücke aufsetzen. Die Drachenkönigin ist in der Tat eine sehr emblematische Figur und schnell zu einer Fantasy-Ikone geworden. Deshalb bin ich, ehrlich gesagt, gar nicht so unglücklich, dass mich so gut wie niemand erkennt, sobald ich abgeschminkt und ohne Perücke unterwegs bin. Sonst könnte ich mich kaum so frei in der Öffentlichkeit bewegen. Anders als Peter Dinklage, der sofort als Tyrion Lannister erkannt wird, auch wenn er nur in der Badehose am Strand entlanggeht. Oder Kit Harington als Jon Snow. Vor kurzem bin ich mit ihm auf der 5th Avenue in New York auf eine Horde „ Game of Thrones“-Fans getroffen. Einer drückte mir sein Smartphone in die Hand und bat mich, doch ein Foto von ihm und Jon Snow zu machen. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, dass die Drachenmutter Danaerys höchstpersönlich auf den Auslöser drückte!
Gibt Ihnen das die Möglichkeit, andere Rollen völlig unbelastet spielen zu können?
Das ist mir eigentlich das Wichtigste! Ich möchte ja in den verschiedensten Rollen glaubhaft und authentisch erscheinen. Ich habe zwar das große Glück, diese einzigartige Figur in „Game of Thrones“ spielen zu dürfen, aber ich will um Himmels Willen nicht darauf festgelegt werden. Man weiß ja, wie schwer es ist, nach einer erfolgreichen Serienrolle mit etwas anderem Erfolg zu haben oder auch nur vom Publikum angenommen zu werden. Ich denke da spontan an meine Lieblingsfernsehserie „Friends“. Wie lange musste selbst Jennifer Aniston kämpfen, um als Schauspielerin in anderen Rollen erst genommen zu werden!
Voriges Jahre waren Sie neben Arnold Schwarzenegger in „Terminator: Genisys“ zu sehen als Sarah Connor, auch so eine Ikonen-Rolle . . .
… und dafür habe ich auch Blut und Wasser geschwitzt. Ich meine das wortwörtlich! Denn um neben Arnold Schwarzenegger in einem Action-Reißer eine gute Figur zu machen, muss man in Topform sein. Also habe ich zur Vorbereitung und auch noch während des Drehs jeden Tag stundenlang im Fitness-Studio trainiert. Und nochmal trainiert. Und dann galt es ja auch noch, Linda Hamilton gerecht zu werden, die Sarah Connor in den früheren „Terminator“-Filmen erst zu dem gemacht hat, was sie ist. Es war eine riesige Herausforderung für mich, als neue Sarah bestehen zu können.
Es scheint, dass Sie nur eine Chance brauchen – und dann läuft alles wie geschmiert.
Dem ist leider nicht so. Ich muss auch heute noch sehr um meine Rollen kämpfen. Für die Daenerys-Rolle musste ich gleich ein paar Mal vorsprechen, und ursprünglich hat sie eine andere Schauspielerin bekommen. Die ich dann nach dem Pilotfilm – zu meinem Glück – ersetzten durfte. Manchmal klappt es auch gar nicht. Ich wollte zum Beispiel unbedingt die Rolle der Ava in „Ex-Machina“ haben, die dann Alicia Vikander bekommen hat. Im Nachhinein bin ich aber sogar froh darüber, denn so gut, wie sie die Figur gespielt hat, hätte ich es nicht hinbekommen.
Und wie haben Sie die Rolle der Louisa in „Ein ganzes halbes Jahr“ gekriegt?
Mein Agent schickte mir das Drehbuch und ich habe es regelrecht verschlungen. Schon nach ein paar Seiten wusste ich: Louisa – das bin ich! Die Power-Frauen, die ich sonst so spiele, haben mit der Person, die ich wirklich bin, nur sehr, sehr wenig zu tun. Ihre Stärke, Dominanz und Überlegenheit improvisiere ich vor der Kamera meistens nur. Aber Louisa, mit all ihrer Fröhlichkeit, ihrer Unschuld und ihrer Fähigkeit zu bedingungsloser Liebe, da konnte ich bei mir aus dem Vollen schöpfen. Und wie Louisa daran reift, als sie einen querschnittsgelähmten jungen Mann pflegt, das hat mich sehr berührt. Das Wunderschöne ist ja, dass das keine übliche Liebesromanze ist, sondern viel tiefer geht.
Im Film geht es auch um die Frage der Sterbehilfe, konkret um den Schweizer Verein Dignitas, der für humane Sterbehilfe eintritt. Wie stehen Sie denn persönlich dazu?
Ich habe mich immer für eine sehr liberale und freigeistige Person gehalten. Und auf gewisse Weise bin ich es noch. Aber auf Grund des Films habe ich mich sehr intensiv mit der Sterbehilfe-Thematik beschäftigt. Gerade auch mit der Problematik von Menschen, die sich dafür entschieden haben, ihr Leben freiwillig zu beenden, weil sie unheilbar krank sind. Und ich muss sagen, das hat mich seelisch ganz schön durchgerüttelt. Aber wie man damit letztlich umgeht, das muss jeder für sich selbst entscheiden.
Sie waren noch sehr jung, als Sie diesen großen Erfolg hatten. Wie geht man damit um?
Als ich Danaerys ein paar Staffeln lang gespielt und mir damit einen Namen gemacht hatte, fiel ich trotzdem von Zeit zu Zeit in ein tiefes Loch. Mich plagten Selbstzweifel und Ängste. Auch ganz persönlicher Art. Schließlich bin ich zu dieser Zeit zu der Frau herangereift, die ich heute bin. Und mit sich selbst ins Reine zu kommen und zu wissen, was man will und was nicht – das ist doch für jede Frau, für jeden Menschen nicht einfach. Vor allem wenn man sensibel ist und alles andere als ein Ego-Tripper.
Sie haben sich bei den vielen Nacktszenen, die Sie als Danaerys spielten – und bis heute spielen – nicht doubeln lassen – wieso?
Das war zugegebenermaßen nicht ganz leicht für mich. Zumal ich in dieser Rolle als Khaleesi ja auch vergewaltigt wurde. Aber das ist der springende Punkt: Da spiele ich eine Rolle. Und die will ich natürlich so authentisch wie möglich spielen. Dazu brauche ich kein Nackt-Double. Das bin ja nicht ich. Ganz anders ist es, wenn ich für ein Mode-Magazin als Emilia Clarke sehr freizügig fotografiert werde. (Lacht) Das geht nicht ohne ein oder zwei Gläschen Wodka.