Kultur: Stefan Kister (kir)

Welche Perspektive zeigt er auf?
Er hat sehr geschickt mit seinem Herkommen begonnen und schließt mit der Aussicht: da will ich hin. Am Schluss kommt er nämlich auf seine Kinder zu sprechen. Da steckt eine Nachhaltigkeitsperspektive darin: Wir müssen unser Land für unsere Kinder einrichten und gestalten und uns neuen Themen öffnen. Man hat ihm ja teilweise seine Vergangenheitslastigkeit vorgeworfen. Hier zeigt er: ich bin offen für das, was kommt, habe aber dafür – und das ist eben charakteristisch für ihn – einen Maßstab, in diesem Fall Nachhaltigkeit.

Wie unterscheidet er sich von seinem Vorgänger?
Gerade diese Pflichtethik als Kontrastprogramm zu Wulff, können wir eigentlich ganz gut gebrauchen. So wie er das vorträgt, wirkt das sehr glaubwürdig auf mich.

Im Vorfeld wurde Gauck ja immer wieder seine monothematische Fixierung auf die Freiheit vorgehalten.
Ich glaube, das war eher ein liberales Missverständnis. Wenn Gauck von Freiheit spricht, meint er den Hegel’schen Freiheitsbegriff, Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit, und das heißt Pflicht. Das ist ein ganz anderes Programm, als es sich der liberale Westler vorstellen kann. Die FDP wird sich noch umschauen, da bin ich mir ziemlich sicher. Da kommt ein hochinteressantes Pflichtprogramm auf uns zu, nicht ein vages liberalistisches „macht mal“.

Das haben Sie alles aus der kurzen Rede herausgehört?
Das sprach aus seinem ganzen Auftritt. Korrektheit und Selbstbewusstheit kennzeichnen Gauck. Als der Ordner ihm den Sessel vor die Reihen schiebt, noch bevor das Ergebnis feststeht, weist er dies zurück. Das ist ein kommentarlose Geste: ich bin noch nicht gewählt. Das ist die preußische Korrektheit. Als er gewählt ist, tritt er vor die Reihen, blickt die Fraktionen an und verneigt sich nicht. Jetzt ist er Präsident. Korrektheit und Selbstbewusstsein – das sind die beiden Elemente, die wir von ihm zu erwarten haben. Mal sehen, ob das allen schmeckt.
Das Gespräch führte Stefan Kister. Zur Person Joachim Knape ist seit 1991 Professor für Allgemeine Rhetorik in Tübingen. Das Seminar für Allgemeine Rhetorik kürt alljährlich die Rede des Jahres. Zu Knapes Forschungsfeldern gehören die Rhetoriktheorie, die deutsche Rhetorikgeschichte, die Geschichte der älteren deutschen Sprache und Literatur und die Ästhetiktheorie. Er wurde 1950 in Heiligenstadt geboren, studierte Germanistik, Politikwissenschaft, Philosophie und katholische Theologie

 

Zur Person: Joachim Knape ist seit 1991 Professor für Allgemeine Rhetorik in Tübingen. Das Seminar für Allgemeine Rhetorik kürt alljährlich die Rede des Jahres. Zu Knapes Forschungsfeldern gehören die Rhetoriktheorie, die deutsche Rhetorikgeschichte, die Geschichte der älteren deutschen Sprache und Literatur und die Ästhetiktheorie. Er wurde 1950 in Heiligenstadt geboren, studierte Germanistik, Politikwissenschaft, Philosophie und katholische Theologie.Joachim Knape ist seit 1991 Professor für Allgemeine Rhetorik in Tübingen. Das Seminar für Allgemeine Rhetorik kürt alljährlich die Rede des Jahres. Zu Knapes Forschungsfeldern gehören die Rhetoriktheorie, die deutsche Rhetorikgeschichte, die Geschichte der älteren deutschen Sprache und Literatur und die Ästhetiktheorie. Er wurde 1950 in Heiligenstadt geboren, studierte Germanistik, Politikwissenschaft, Philosophie und katholische Theologie.