Bei "Lucky Seven", dem neuen Programm von Gauthier Dance im Theaterhaus, wird aus dem bunten Stilmix ein dramaturgisches Konzept.

Stuttgart - Sieben Kreationen, alle von verschiedenen Choreografen - das könnte leicht ein Sammelsurium der Ästhetiken ergeben. Aber so originär die künstlerischen Stile der am neuen Programm von Gauthier Dance beteiligten Tanzschöpfer sind, dem Leiter der Tanzkompanie des Theaterhauses ist es dennoch gelungen, einen Abend aus einem Guss zu präsentieren. Denn er hat für die Produktion "Lucky Seven", die am Mittwoch im Theaterhaus Premiere hatte, Stücke ausgewählt, die humorvoll sind und explizit theatralisches Potenzial haben und die somit zum unverwechselbaren Profil von Gauthier Dance passen.

 

Bereits als Tänzer beim Stuttgarter Ballett war Gauthier der Geschichtenerzähler voll Humor. Das hat er als Choreograf wie als Chef seiner Tanzkompanie fortgeschrieben. Wenn daraus nicht vordergründige Komik oder Show wird, dann trägt eine Unterhaltsamkeit im besten Sinne und eine wunderbare Leichtigkeit die Programme von Gauthier Dance. Im Falle von "Lucky Seven" ist dies geglückt. Denn insbesondere die beiden Choreografen-Größen Jirâ KyliÖn und Hans van Manen, deren aus seiner Zeit beim Stuttgarter Ballett herrührende Wertschätzung des Tänzers Eric Gauthier auch seiner Kompanie gilt, verstehen es, im Tanz eine menschliche, tiefer gehende erzählerische Qualität aufscheinen zu lassen. Das Gleiche gilt für Mauro Bigonzetti und das Choreografen-Duo Paul Lightfoot & Sol Leín, auch sie Wegbegleiter aus Gauthiers Tänzerkarriere. Und obwohl es sich hier wie dort teils um dieselben Choreografen handelt, sieht man im Theaterhaus immer Gauthier Dance und keine Kopie des Repertoires des Stuttgarter Balletts.

Reich an Skurrilitäten und dabei virtuos

In Hans van Manens "The old Man and me" steht Eric Gauthier mit Isabelle Pollet-Villard auf der Bühne. Die ursprünglich für zwei Tänzer des Nederlands Dans Theaters III kreierte Annäherung mit Hindernissen entfaltet zwar eine intensivere Wirkung, wenn ältere Darsteller das interpretieren. Etwa wenn das Laufen mit vorgebeugtem Oberkörper auch ausdrückt, dass da die Erfahrungen eines langen Lebens auf den Schultern ruhen und es nicht nur eine spaßige Pose ist. Aber Gauthier und Pollet-Villard machen eine vom Alter unabhängige Beziehungsgeschichte.

In den "Sechs Tänzen" von Jirâ KyliÖn zu Musik von Mozart schütteln die vier Paare zwar den Puderstaub aus den Rokoko-Perücken. Aber die Protagonisten in dem schwarzhumorigen Spiel sind gefangen in den Äußerlichkeiten von Konventionen. Der Choreograf zeigt das meisterhaft auf, indem er in das an Skurrilitäten reiche, dabei höchst virtuose Stück ein marionettenhaftes Parodieren von manierierten Alltagsgesten einbindet. Mauro Bigonzetti hat eine Kreation eigens für Gauthier Dance entwickelt. In "Pietra Viva" zu folkloristischen Akkordeonklängen verflechten sich Anna Süheyla Harms und William Moragas in die für Bigonzettis Stil typischen skulpturalen Körpergebilde, in denen auch das facettenreiche Verhältnis zwischen zwei Individuen anschaulich wird.

Modern Dance, Punk und Flamenco

Ein neuer Name bei Gauthier Dance ist Alejandro Cerrudo, einst Tänzer beim Stuttgarter Ballett und nun Hauschoreograf bei Hubbard Street Dance Chicago. In seiner Kreation "Lickety-Split" geht es ebenfalls um zwischenmenschliche Beziehungen. Ein wie mit leichter Hand entworfener, jedoch expressiver Reigen von Begegnungen und Soli bringt zu Songs von Devendra Banhart drei Tanzpaare zusammen. Sehr schön setzt Cerrudo kleine narrative Akzente in den abstrakten Motionen zwischen Balletteleganz und Modern Dance durch fast nur angedeutete menschliche Gesten. Auch das Duett "Shutters Shut" von Lightfoot/Leín fügt sich gut in das Konzept des Abends. Armando Braswell und Rosario Guerra legen bei ihrer Darbietung der Spiegelung eines Gedichts von Gertrude Stein in pantomimischen, dabei höchst artifiziellen Bewegungssequenzen mehr den Schwerpunkt auf das Komödiantisch-darstellerische als NDT II, das Juniorensemble des Nederlands Dans Theaters, für das das Stück kreiert wurde.

Eric Gauthier wartet wie von ihm bekannt mit originellen Ideen auf. In "Punk Love" erzählen Garazi Perez Oloriz und Armando Braswell in einem energievollen Duett mit artistischen Elementen, dass zwischen dem Tätowierer und demjenigen, der sich tätowieren lässt, eine Beziehung entstehen kann. In dem sehr persönlichen Solo "Carlito", das Catarina Mora für Eric Gauthier kreiert hat, wechselt der Balletttänzer versiert ins Flamencofach, auch wenn das inhaltliche Konzept, mittels Flamenco die Freuden und Ungewissheiten eines werdenden Vaters zu veranschaulichen, nur trägt, weil Gauthier das so authentisch darzustellen versteht.

Weitere Aufführungen: 24., 25. Juni, 18., 19., 21. bis 23. Juli, Theaterhaus