Die streikenden Lokführer der GDL zeigen Präsenz auf dem Stuttgarter Hauptbahnhof. Dort müssen sie Kritik und Häme einstecken. Doch hatten sie mit wütenderen Reaktionen gerechnet. Eingehende Diskussionen über ihre Forderungen haben ohnehin keine Chance.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Der Tarifkonflikt der Bahn ist am Prellbock gelandet – zumindest hat sich ein Dutzend streikender Lokführer der Ortsgruppe Stuttgart am Dienstagmorgen genau dort eingefunden, auf dem Hauptbahnhof gleich vorne an Bahnsteig sechs. Sie wollen Präsenz zeigen und sich nicht wegducken vor wütenden Bahnkunden. „Super macht Ihr das“, ruft ein junger Mann den GDLern zu. Er hebt den Daumen – alles ironisch gemeint, versteht sich. Ein anderer Mann hält kurz inne und schimpft: „Es gibt Grenzen für das Streikrecht, wenn man andere in Mitleidenschaft zieht.“ Abgang.

 

Sehr gelassen, fast stoisch, harren die Lokführer aus. Sobald neue Menschenmassen aus einem eingefahrenen Regionalzug strömen, droht neue Häme. Manche reden sich in Rage: „Ich bin Ihr Kunde“, hebt ein Mittvierziger im Anzug an. „Für was streiken Sie? Können Sie das erläutern?“ Einer der Lokführer antwortet: „Wir wollen einen Tarifvertrag haben.“ Der Mann entrüstet sich: „Sie haben doch einen Tarifvertrag“ – und dampft ab. So ist es fast immer: Die Streitgespräche fallen stark verkürzt und damit irreführend aus. Denn die GDL kämpft für einen eigenständigen Tarifvertrag, der alle ihre Mitglieder – auch die Zugbegleiter – umfasst. Das ist aber zu komplex für Bahnhofsdebatten. „Die meisten hören eh nicht zu, wie man gerade an dem Herren bemerkt hat“, sagt der örtliche Streikleiter, der seinen Namen nicht nennen will. Einem anderen hat er soeben erläutert, dass es nichts wird mit Bahnfahrt an die Nordsee; der habe sich nicht aufgeregt.

Weselsky ist hier unumstritten

Insgesamt bleibt die Lage relativ entspannt. Eine ältere Frau wundert sich, dass nicht mehr Kunden „Dampf ablassen“. Die Arbeitgeber müssten stärker unter Druck gesetzt werden, urteilt sie. Doch finde sie die ständigen Streiks bei Bahn und Lufthansa mittlerweile selbst „heftig“. Auch die Lokführer im Ausstand zeigen sich überrascht von der allgemeinen Zurückhaltung. Provozieren lassen sie sich jedenfalls nicht. Allenfalls grummeln sie über einen Kritiker: „Der hat einen Tarifvertrag der IG Metall mit einer 35-Stunden-Woche – dem geht es gut.“ Die Lokführer müssen 39 Stunden arbeiten, und bei ihnen fallen aufgrund des Personalmangels Überstunden en gros an. Es gibt aber auch positive Reaktionen; sie tun besonders gut, wenn ein Vorgesetzter Mut zuspricht: „Macht das Beste draus“, sagt der Mann aus der Fahrdienstleitung.

Zwar fahren weiter Züge ein und aus, doch diese werden von Beamten oder der Konkurrenz bewegt. Die Gewerkschaft EVG deswegen zu verteufeln, kommt aber nicht in Frage. Anfeindungen gebe es im Alltag nicht. „Jeder macht sein Geschäft.“ Erst recht lassen die GDLer nichts auf ihren Anführer Claus Weselsky kommen. Der sei sympathisch. „Er stellt sich hin und sagt, wie es ist.“ Keine Spur von Absetzbewegungen an der Front: „Wenn wir jetzt abbrechen, war alles für die Katz“, lautet ein bezeichnendes Argument. „Wir können nicht mehr zurück.“ Gegen halb zehn Uhr ruft der Streikleiter zur Pause in einem „Rückzugsraum“ auf einem anderen Bahnsteig. Ruhe vor den Kritikern werden sie noch bitter nötig haben.