Anlässlich des 25. Jahrestags des Mauerfalls hält der Bürgerrechtler Werner Schulz im Landtag in Stuttgart eine Festrede – und rechnet mit der Linkspartei ab.

Stuttgart - Es begann damit, dass das Licht im Plenarsaal ausging. Ein vierminütiges SWR-Video zeigte den Mauerfall aus der Perspektive des Tags nach dem 9. November 1989: die Auswanderungsströme, die Pressekonferenz mit Günter Schabowski, dann ein Rückblick auf Mauerbau und die Beinahe-Eskalation am Checkpoint Charlie.

 

Nicht, dass man die historischen Ereignisse den Landtagsabgeordneten und ihrem Ehrengast, dem Bürgerrechtler und Grünen-Politiker Werner Schulz, noch einmal vor Augen führen müsste. Der Film war vielmehr für die Schulklassen gedacht, die an diesem Tag so zahlreich wie nie die Besucherreihen des provisorischen Plenarsaals besetzten. Auch prominente Gäste waren da, beispielsweise Gerhard Mayer-Vorfelder oder der ehemalige Landtagspräsident Peter Straub.

Der Landtagspräsident Guido Wolf (CDU) mahnte in seiner Rede, das 25. Jubiläum des Mauerfalls als Aufforderung an die Bürger zu sehen, sich nicht nur als Nutznießer, sondern auch als Träger der Freiheit zu verstehen. Freiheit sei „keine Lizenz zum Rosinenpicken“, sondern ein „aktiver Modus“. „In einer Diktatur werden Bürger entmündigt. In Demokratien besteht die Gefahr, dass sie es selbst tun.“ Ruhe sei daher nicht erste Bürgerpflicht. In einem Klima der Toleranz seien Meinungsvielfalt und Widerspruch erwünscht. Werner Schulz wies in seiner Festansprache darauf hin, dass die friedlichen Revolutionen in Osteuropa „kein Selbstläufer“ waren. Gorbatschows Reformpolitik sei nicht nur aus freien Stücken erfolgt und Wegbereiter der deutschen Einheit sei er „allenfalls wider Willen“ gewesen. Vor 25 Jahren habe in der DDR die Angst die Seite gewechselt. „Ohne den Mut der Ostdeutschen hätte es die Wiedervereinigung nicht gegeben.“

Ohne Mut keine Wiedervereinigung

Der aus Zwickau stammende Schulz war seit den 1970er Jahren in der kirchlichen Friedens-, Ökologie- und Menschenrechtsbewegung aktiv. Als er öffentlich gegen den Einmarsch der Sowjets in Afghanistan protestierte, wurde dem Lebensmittelchemiker an der Humboldt-Universität in Berlin fristlos gekündigt. Er war beteiligt an der Gründung des Pankower Friedenskreises und 1989 Vertreter des Neuen Forums am Runden Tisch der DDR.