Die Polizei und die Behörden in Rottweil und Tuttlingen wenden sich gegen die im Netz angekündigten Sicherheitsdienste des Rockerclubs „Red Devils“. Sie wollen keine Willkür und Selbstjustiz dulden von selbst ernannten Ordnungshütern.

Tuttlingen/Rottweil - Die Angst und Verunsicherung vieler Frauen und Bürger nach den Vorfällen in der Silversternacht in Köln und anderen Städten ist groß. Im Netz mehren sich die Rufe nach Selbstschutz und Bürgerwehren. Jetzt nutzen im Südwesten auch Rockerbanden die Gelegenheit, sich als Beschützer von Frauen und Kindern aufzuspielen, zum Beispiel in Tuttlingen und Rottweil – zwei Städte, die bisher nicht gerade als Brennpunkte von Gewalt und Kriminalität in der Polizeistatistik aufgefallen waren.

 

„Wir helfen ohne Wenn und Aber“ schreiben die beiden örtlichen Ableger der Red Devils auf ihren Facebook-Seiten. Die Gruppierung, die zu den Unterstützern der Hells Angels gehört, rufen andere Clubs auf, sich ihnen darin anzuschließen. Die Rocker fordern zudem Bürger auf, sie anzusprechen, wenn sie sich bedroht fühlten. In Tuttlingen aber erinnern sich die Bürger noch sehr gut daran, dass sie sich vor wenigen Jahren von den Kuttenträgern der Red Devils bedroht fühlten. Die Rocker waren beim Stadtfest in großer Formation über den Marktplatz marschiert, für viele Bürger eine so bedrohliche Situation, dass sie aus Furcht das Fest vorzeitig verließen. In Rottweil und Tuttlingen sind die beiden Clubs aufgefallen durch Körperverletzung, Drogen, Prostitution oder Brandanschläge auf die Clubs verfeindeter Gruppen.

Rocker patrouillieren in Tuttlingen

Am Dienstagabend seien erstmals zwei Rocker zu Fuß durch Tuttlingen patrouilliert, bestätigt Thomas Kalmbach vom Tuttlinger Polizeipräsidium. Am Mittwochabend hatte ein Passant zehn bis zwölf Kuttenträger am Zentralen Busbahnhof gemeldet. Bei einer Kontrollfahrt traf die Polizei niemanden mehr an. In Rottweil ist laut einem Sprecher der Stadt bisher noch keine Rockerstreife aufgefallen.

Die Stadt- und Kreisverwaltungen in Tuttlingen und Rottweil haben jetzt in einer gemeinsamen Erklärung mit dem zuständigen Polizeipräsidium Tuttlingen deutlich gemacht, dass sie Willkür und Selbstjustiz nicht dulden werden. „In einem Rechtsstaat ist und bleibt es ausschließlich Sache der Polizei, für Recht und Ordnung zu sorgen.“ Die Kriminalität in den beiden Städten gebe keinen Grund zur Sorge – „und schon gar nicht dazu, auf selbst ernannte Wächter der Ordnung zu setzen“, heißt es darin weiter. Die Polizei hat jetzt die beiden Präsidenten der Clubs verwarnt und in einer „klaren Ansprache“ auf die Rechtslage hingewiesen.

Der Innenminister Reinhold Gall (SPD) verdeutlicht denn auch gegenüber der StZ, dass gerade Rockergruppen im Zentrum polizeilicher Ermittlungen stünden, „weil sie durch Gewaltdelikte und Rauschgiftkriminalität auffallen“. In jüngster Zeit sind in Baden-Württemberg der Hells Angels Motorcycle Club Borderland in Pforzheim (2011) und die im Großraum Stuttgart operierende Red Legion sowie deren Jugendorganisation Red Nation (2013) verboten worden. Für Gall ist es „widersinnig, dass sich Rockergruppen und rockerähnliche Gruppierungen anmaßen, einen Beitrag zum Thema Sicherheit zu leisten. Ich bitte die Menschen im Land, solchen Gruppierungen nicht auf den Leim zu gehen.“

Die Strategie der Rocker scheint zu verfangen

Im Netz aber scheint die PR-Strategie der Rocker aufzugehen. Der Eintrag unter der Überschrift „Solidarität für Deutschland“ gefiel bisher mehr als 2100 Personen und wurde mehr als 1560-mal geteilt (Stand Mittwochnachmittag). Der Rottweiler Ableger des Clubs veröffentlichte einen gleichlautenden Eintrag. Das Ministerium beobachtet die Entwicklungen in den sozialen Medien, das Landeskriminalamt hat alle Landesdienste um verstärkte Aufmerksamkeit gebeten.