Der Pforzheimer Oberbürgermeister wollte vier Amtsleiter mit einem Trick besser bezahlen als erlaubt. Die Aktion ging schief, doch sie illustriert ein generelles Problem: Viele Städte beklagen, ihre Spitzenleute nicht angemessen bezahlen zu können.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Bescherung sollte mitten im Sommer stattfinden. Vier Spitzenkräfte der Pforzheimer Stadtverwaltung wollte Oberbürgermeister Gert Hager (SPD) endlich so bezahlen, wie sie es aus seiner Sicht schon lange verdienten. Wegen „außergewöhnlicher individueller Leistungen“ sollten der Leiter des Personalamts und die Chefin des Rechtsamts in die Besoldungsgruppe B 4 (Grundgehalt: knapp 8000 Euro) aufrücken, mehr Geld war auch dem Vorsteher des Amts für öffentliche Ordnung und der Leiterin des Amts für Bildung und Sport zugedacht.

 

Seit Jahren engagierten sich die Beamten „in ganz herausragender Weise“ für die Stadt, begründete Hager seinen Vorstoß. Ihrem Einsatz sei es beispielsweise zu verdanken, dass Pforzheim 30 Millionen Euro aus fragwürdigen Finanzgeschäften zurückholen konnte. Selbstverständlich hätten alle vier „weit überdurchschnittliche Beurteilungen“ vorzuweisen.

Schneller Rückzug nach Indiskretion

Leider lasse sich die Leistung innerhalb der „engen gesetzlichen Rahmenbedingungen“ nicht honorieren, erläuterte der Rathauschef in seiner Vorlage für die interne Beratung. „Eine Lösung im Beamtenrecht  . . .  ist nicht möglich“, hieß es bei dreien der vier Amtsleiter; dem Sprung nach B 4 stünden „die einschlägigen Stellenobergrenzen“ entgegen. Doch Hager wies zugleich einen trickreichen Ausweg: die drei Spitzenkräfte sollten aus dem Beamtenverhältnis entlassen und nahtlos auf der Grundlage eines privatrechtlichen, außertariflichen Anstellungsvertrages weiterbeschäftigt werden – unter Wahrung aller erworbenen Rechte, samt Anspruch auf Beihilfe. So kämen sie doch noch in den Genuss der eigentlich unmöglichen Beförderung. Es handele sich um eine bei der Stadt „bereits praktizierte Lösungsvariante“.

Rathausintern hatte Hager seine Initiative mit allen Bürgermeistern abgestimmt, auch aus der „Mitte des Gemeinderats“ will er positive Signale vernommen haben. Doch seine Rechnung hatte er ohne die Öffentlichkeit gemacht. Noch bevor der Oberbürgermeister sich vom Gemeinderat hinter verschlossenen Türen alle notwendigen Vollmachten erteilen lassen wollte, stand der Plan in der Lokalzeitung – und hatte sich damit erledigt. Fast zeitgleich genehmigte das Regierungspräsidium den Haushalt der finanziell schwachbrüstigen „Goldstadt“ nur noch unter strengen Auflagen. Da war der Geldsegen für die Amtsleiter nicht mehr vermittelbar. Die Vorlage werde „zum Schutz der Betroffenen“ zurückgezogen, das Thema nicht weiter verfolgt, verkündete der Stadtvorstand kleinlaut.

Rülke fragt im Landtag nach Besoldung

Eine derartige „Happy-Hour-Mentalität“ könne sich die Stadt schlicht nicht leisten, monierte der FDP-Vormann im Gemeinderat, Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Niemandem könne man erklären, dass die Pforzheimer Führungskräfte mehr verdienen sollten als ihre Kollegen im fünfmal so großen Stuttgart. Weder dort noch in Karlsruhe gebe es Amtsleiter mit B-4-Salär. Per Anfrage an die Landesregierung erkundigt sich Rülke nun nach der Besoldung „in Theorie und Praxis“; unter anderem will er wissen, ob „Änderungen geplant“ seien.

Notwendig und sinnvoll wären sie allemal – nicht nur aus Pforzheimer Sicht, sondern auch nach Meinung des Städtetages Baden-Württemberg. In dessen Gremien werde schon länger diskutiert, ob das „relativ enge Korsett“ der Stellenobergrenzen noch zeitgemäß sei, berichtet die Vize-Hauptgeschäftsführerin Stefanie Hinz. Man wünsche sich flexiblere Regeln und die Möglichkeit, Mehrarbeit oder die Übernahme von zusätzlicher Verantwortung vergüten zu können; bisher müsse das Extrasalär jenseits der geltenden Grenzen abgeliefert werden. Entsprechende Vorschläge habe der Kommunalverband dem Land zuletzt in seiner Stellungnahme zur Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften gemacht. Für viele Mitgliedstädte, sagt Hinz, sei es „zwischenzeitlich ein Problem“, Führungskräfte zu gewinnen. Solche Stellen müssten häufig mehrfach ausgeschrieben werden, weil sich kein geeigneter Bewerber finde; zunehmend würden auch Personalberater engagiert. Der „Wettbewerb um gute Führungskräfte“ beschäftige die Städte zusehends.

Auch Salomon fordert eine Reform

Ins gleiche Horn bläst der Freiburger Oberbürgermeister Dieter Salomon. Per Schreiben ans Stuttgarter Finanz- und Wirtschaftsministerium mahnte der Grüne unlängst, Änderungen im Besoldungsrecht seien „dringend geboten“. Da auch in den Rathäusern zunehmend in Projekten gearbeitet werde, müsse die 2011 abgeschaffte Möglichkeit, Zulagen zu bezahlen, unbedingt wieder eingeführt werden. Die starren Stellenobergrenzen „sollten aufgehoben werden“, forderte Salomon zudem; sie erschwerten die „zunehmend schwierigere Personalgewinnung in Spitzenpositionen“. Eine Kopie seines Brandbriefes ging an den Städtetag und acht große Städte – darunter auch Pforzheim.

Der vom dortigen OB Hager empfohlene Kniff, die Amtsleiter einfach zu Angestellten zu machen, dürfte übrigens keine Lösung sein. Gebräuchlich ist er nur, wenn leitende Kommunalbeamte etwa Geschäftsführer von Eigenbetrieben werden. Zum Aushebeln der gesetzlichen Vorgaben aber wäre er auf Dauer wohl problematisch – auch wenn die Aufsichtsbehörden ihn angeblich abgesegnet hatten. Trotzdem trauert der Rathauschef seiner schönen Idee hinterher: Es sei „sehr bedauerlich, dass die Chance vertan“ wurde.