„Du wirst mehr in den Wäldern finden als in den Büchern“, schrieb Bernhard von Clairvaux. Wir haben uns auf die Suche gemacht und stellen Ihnen in einer Serie Besonderheiten aus den Wäldern rund um Stuttgart vor. Heute: Waldgedichte (II).

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Stuttgart - „Das Thema Waldgeschichten hat mich sofort angesprochen“, schreibt Gerlinde Heidinger aus Ditzingen. „Auch ich liebe den Wald zu allen Jahreszeiten und schätze ihn sehr als Doktor, so wie es Erich Kästner in seinem schönen Gedicht ,Die Wälder schweigen‘ beschrieben hat:

 

Die Jahreszeiten wandern durch

die Wälder.

Man sieht es nicht. Man liest es nur im Blatt.

Die Jahreszeiten strolchen durch

die Felder.

Man zählt die Tage. Und nun zählt

die Gelder.

Man sehnt sich fort aus dem Geschrei

der Stadt.

Das Dächermeer schlägt ziegelrote

Wellen.

Die Luft ist dick und wie aus grauem Tuch.

Man träumt von Äckern und von

Pferdeställen.

Man träumt von grünen Teichen

und Forellen.

Und möchte in die Stille zu Besuch.

Die Seele wird vom Pflastertreten krumm.

Mit Bäumen kann man wie mit Brüdern

reden und tauscht bei ihnen

seine Seele um.

Die Wälder schweigen. Doch sie sind nicht

stumm.

Und wer auch kommen mag, sie trösten

jeden.

Man flieht aus den Büros und

den Fabriken.

Wohin, ist gleich! Die Erde ist ja rund!

Dort, wo die Gräser wie Bekannte nicken

und wo die Spinnen seidne Strümpfe

stricken, wird man gesund.

Passend dazu verweist Leser Hans-Jürgen Schmid auf Zeilen die Helmut Dagenbach, ein Förster, vor 30 Jahren unter der Überschrift „Doktor Wald“ formulierte:

„Wenn ich an Kopfweh leide

und Neurosen,

mich unverstanden fühle oder alt,

und mich die holden Musen nicht

liebkosen, dann konsultiere ich

den Doktor Wald.

Er ist mein Augenarzt und Psychiater,

mein Orthopäde und mein Internist.

Er hilft mir sicher über jeden Kater, ob er

von Kummer oder Cognac ist.

Er hält nicht viel von Pülverchen und

Pillen, doch umso mehr von Luft

und Sonnenschein.

Und kaum umfängt mich angenehme

Stille, raunt er mir zu: „Nun atme mal

tief ein!“

Ist seine Praxis oft auch überlaufen,

in seiner Obhut läuft man sich gesund.

Und Kreislaufkranke, die noch

heute schnaufen, sind morgen

ohne klinischen Befund.

Er bringt uns immer wieder auf die Beine,

das Seelische ins Gleichgewicht,

verhindert Fettansatz und Gallensteine.

Nur – Hausbesuche macht er leider nicht.“ Welche Waldgeheimnisse kennen Sie? Schreiben Sie uns per Mail: lokales@ .de oder per Post: Zentralredaktion, Postfach 104452, 70039 Stuttgart, Stichwort: Wald