Nicht nur Abgeordnete leiden unter Problemen bei der Vorsorge fürs Alter, sondern vor allem normale Arbeitnehmer. Was eine Landesbedienstete erleben musste, die sich gegen massive Abstriche bei Leistungen gewehrt hat.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Diskussion um die Altersversorgung der Landtagsabgeordneten hat Brigitte Decker (Name geändert) mit besonderem Interesse verfolgt. Als Angestellte in einem Landesministerium beobachtet sie nicht nur die Landespolitik, sondern ist von der Thematik auch persönlich betroffen. Private Vorsorge lohnt sich nicht mehr, deswegen wollten die Parlamentarier wieder zur Staatspension zurückkehren können – diesen Wunsch konnte Decker gut verstehen. Die Begründung des Grünen-Mannes Ulrich Sckerl umschrieb ziemlich präzise, was sie gerade selbst erlebt: „Mit privaten Vorsorgeverträgen werden Versicherungen gefüttert, aber keine auskömmlichen Altersversorgungen hergestellt.“

 

Normale Angestellte können von einem Umstieg zur Pension indes nur träumen. Sie haben wenig Möglichkeiten, auf immer schlechter werdende Konditionen zu reagieren. Wer wie Decker dagegen aufbegehrt, muss einen längeren und mühsamen Kampf führen – und am Ende oft doch kapitulieren. In ihrem Fall ging es um eine private Zusatzversorgung via Riester-Rente, für die sie vor vielen Jahren angesichts des Abwärtstrends bei der gesetzlichen Rente einen Vertrag abgeschlossen hatte. Ihre Wahl fiel auf die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) mit Sitz in Karlsruhe, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, in deren Gremien auch die Stuttgarter Landesregierung vertreten ist (siehe Infokasten). Bei Renteneintritt sollten ihr aus dem Vertrag („VBL extra 01“) einst knapp 250 Euro monatlich zufließen.

Doch Ende 2016 bekamen Decker und etliche Kollegen unerfreuliche Post aus Karlsruhe. „Änderungen bei Ihrer freiwilligen Versicherung . . .“ war der Brief aus dem VBL-Kundenmanagement überschrieben. Nach Eigenlob für das „attraktive Vorsorgeprodukt“ ging es zur Sache: Bisher habe man für die Verzinsung – 3,25 Prozent in der sogenannten Ansparphase, 5,25 Prozent in der „Rentenbezugsphase“ – immer ausreichende Renditen erwirtschaften können. Angesichts der andauernden Niedrigzinsphase und der steigenden Lebenserwartung könne das Leistungsniveau nun „nicht mehr vollumfänglich garantiert“ werden. Für die Beiträge von Anfang 2017 an müsse man die Höhe der Versorgungspunkte, nach denen sich die künftige Leistung bemisst, daher senken – und zwar um 25 Prozent. Damit sollte „eine dauerhafte Finanzierung“ des fraglichen Tarifs „gelingen“. Falls das wider Erwarten doch nicht klappe, verblieb die VBL, sei auch eine Kürzung von bereits erworbenen Ansprüchen möglich.

Ihre Zusatzrente würde sich schon durch die Senkung ab 2017 auf nur noch knapp über 200 Euro reduzieren, bei weiteren Abstrichen sogar deutlich darunter, errechnete Decker. Laut Vertrag sei wohl beides möglich, doch die Werbesprüche der Karlsruher („Vertrauen ist die Grundlage, wenn man jemandem sein Geld und seine Zukunft anvertraut“) klangen für sie nun im Nachhinein ziemlich hohl. Also wandte sie sich an die Finanzaufsichtsbehörde Bafin mit dem Appell, die „unglaublich dreiste Absenkung“ nicht zu genehmigen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Leistungen wegen der Niedrigzinsphase gleich um den höchstmöglichen Satz von 25 Prozent reduziert werden sollten; nach ihren Berechnungen würde erheblich weniger ausreichen. Auf die steigende Lebenserwartung habe die Politik zudem mit einer Anhebung des Rentenalters reagiert; erst mit 67 würden dann auch die Zahlungen der VBL fällig.

Die Finanzaufsicht segnet die Kürzung ab

Doch die Bafin wies das Ansinnen zurück. Man habe die fragliche Änderung der Versicherungsbedingungen inzwischen genehmigt, schrieb sie an Decker. Grundlage für den Eingriff in bestehende Verträge sei „eine nachträglich eingetretene, nicht unbedeutende Störung des Äquivalenzverhältnisses zwischen Beitrag und Leistung“. Immerhin blieben bereits erworbene Ansprüche unangetastet – noch. Wie genau ihr Plazet begründet wird, verrieten die Aufseher nicht; man sei gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Gegenüber unserer Zeitung gab ein VBL-Sprecher genauer Auskunft. „Wir haben der Niedrigzinsphase lange getrotzt“, bekundete er. Nun aber sei man es den Versicherten schuldig, sich „auch für die Zukunft solide aufzustellen und ihnen nur diejenigen Leistungen zu versprechen, die wir nach jetzigem Kenntnisstand erfüllen können“. Seit der Einführung des fraglichen Tarifs 2002 habe sich der „Höchstrechnungszins“ von 3,25 auf nur noch 0,9 Prozent reduziert; die steigende Lebenserwartung werde durch den späteren Renteneintritt zudem nicht kompensiert. Da müsse man einfach gegensteuern, lautet sinngemäß das Fazit. Anders als die VBL-Pflichtversicherung, die überwiegend auf einem Umlageverfahren basiere, sei die freiwillige Zusatzversicherung kapitalgedeckt – und leide damit stärker unter den Problemen. Vereinzelt habe man Anfragen von betroffenen Kunden erhalten, deren Anteil am Gesamtbestand aber gering sei.

Experte spricht von „Vertrauensbruch“

Für Decker ist das kein Trost. Beistand bekommt sie von dem Wiernsheimer Mathematiker Friedmar Fischer, der die VBL schon lange kritisch im Blick hat. Er sieht einen „Vertrauensbruch“, weil immer der Eindruck erweckt worden sei, es handele sich um garantierte Leistungen; nach 15 Jahren stelle sich nun heraus, dass dies nur für 75 Prozent gelte. Ein weiteres „böses Erwachen“ folge, wenn von der Riester-Rente später noch Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abgezogen würden. Die Chancen einer Klage hält Fischer freilich für gering – und Decker ebenso. Sie überlegt nun, den Vertrag ruhen zu lassen und die eingesparten Beiträge lieber für anderes auszugeben.

Angebote der VBL werden nach einer Auskunft der Landtagsverwaltung an die CDU-Fraktion zwar von keinem Abgeordneten genutzt. Sie zahlten in die Rentenversicherung, in eine kommunale Versorgungskasse oder in Versorgungswerke von Berufsständen. Doch Decker findet es durchaus heilsam, wenn Politiker bei allen Appellen zur privaten Vorsorge am eigenen Leib erleben, welche Tücken diese birgt. Die Frage ist nur, wie man darauf reagiert.