Die Deutsche Bank plagt sich mit hohen Kosten durch Rechtsstreitigkeiten, einem sinkenden Aktienkurs und Restrukturierungsbedarf herum. Dagegen helfen auch Beschwichtigungen von allen Seiten nichts.

Frankfurt - Wolfgang Schäuble, der Bundesfinanzminister, macht sich keine Sorgen um die Deutsche Bank. Deren Finanzchef Marcus Schenck verweist sogar darauf, dass Deutschlands größtes Geldinstitut rund 200 Milliarden Euro an Liquidität habe – von Kapitalknappheit könne keine Rede sein. Dennoch ist die Bank in Bedrängnis geraten – seit einer Woche sogar verstärkt. Am Freitag senkte dann auch noch die Ratingagentur Standard & Poor’s die Bonitätsnote für bestimmte Anleihen der Deutschen Bank auf „B+“, eine Bewertung, die für hochspekulative Anlagen gilt. Das kommt zur Unzeit, schließlich hat die Deutsche Bank am Freitag ein großes Rückkaufprogramm gestartet, will für gut fünf Milliarden Euro eigene Anleihen aufkaufen, um sich so Zinszahlungen in der Zukunft zu sparen. Der kleine Gewinn, der durch den Rückkauf unter dem Nominalpreis entsteht, kann man dabei getrost außer Acht lassen.

 

Warum tut sich die Deutsche Bank das an? Ist es tatsächlich nur der Ansatz des seit gut einem halben Jahr amtierenden Co-Vorstandschefs John Cryan, der möglichst alle Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre quasi auf einen Schlag beseitigen will? Wenn das so wäre und wenn die Deutsche Bank selbst in den kritischen Augen Cryans so „grundsolide“ ist, wie der Co-Chef dies am Dienstag den Mitarbeitern verkündete – dann wäre der Druck auf die Bank wohl nur das nächste Kommunikationsdesaster, von dem es schon eine ganze Reihe gibt.

Das wirkliche Problem dabei ist allerdings, dass Cryan und seine Mitstreiter diese Mal nicht nur mit der Kritik von Journalisten und Öffentlichkeit umgehen müssen. Sie haben auch wichtige Kapitalmarktteilnehmer auf den Plan gerufen, und das könnte die vorhandenen Probleme noch vergrößern. Angefangen hatte alles am Montag mit der Mitteilung des Instituts, man sei in der Lage, die in diesem Jahr fälligen Zinsen für sogenannte Coco-Anleihen zu bedienen. Eigentlich war die Ankündigung als Beruhigung für die derzeit hochnervösen Investoren gedacht, weil die sich fragten, wie die Bank den Verlust von 6,8 Milliarden Euro verkraften werde. Die „normalen“ Aktionäre etwa sollen leer ausgehen. Der gegenteilige Effekt trat ein.

Jeder Beschwichtigungsversuch löst das Gegenteil aus

Eine Bank, der es wirklich gutgeht, könne sich solche eine Verlautbarung sparen, meinten Marktteilnehmer. Cryans Bekräftigung der soliden Lage sowie auch die Äußerung des Bundesfinanzministers erzielten ebenfalls nicht die gewünschten Effekte, im Gegenteil. Der Kurs der Aktie ging auf Achterbahnfahrt, mal zweistellig runter, dann wieder um bis zu 17 Prozent nach oben – Tendenz eher sinkend.

Diese Schwankungen haben, so heißt es jedenfalls in Frankfurter Bankenkreisen, inzwischen einige, bisher eher unbekanntere Hedgefonds auf den Plan gerufen. Sie versuchen mit Wetten gegen die Deutsche Bank von den Kursverlusten zu profitieren. Auf der anderen Seite haben sie sich gegen steigende Kurse abgesichert. Begrenztes Risiko, große Gewinnchancen – ein System, mit dem auf den Finanzmärkten immer wieder viel Geld verdient wurde. Das Schicksal des betroffenen „Objekts“, ob eine Währung oder wie in diesem Fall eine Bank, ist den Wettteilnehmer dabei ziemlich gleichgültig.

Die Aufräumaktionen Cryans mögen notwendig sein, der Bank steht aber dadurch eine Durststrecke bevor, die manchen Beobachtern durchaus Sorgen bereitet. Nach dem Milliardenverlust für das vergangene Jahr ist auch für 2016 ein Minus eingeplant. Vor 2017 werden Aktionäre wohl nicht mit einer Dividende rechnen können. Um 40 Prozent ist der Börsenkurs seit Jahresanfang in den Keller gefallen, die Aktie ist so billig wie seit 30Jahren nicht mehr. Der Börsenwert ist mit gut 18 Milliarden Euro so niedrig, dass man die Deutsche Bank sogar für einen Übernahmekandidaten halten könnte. In der Industrie macht man sich durchaus Sorgen, wie der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Martin Wansleben, betont. Schließlich brauche die größte Volkswirtschaft Europas gesunde Kreditinstitute.

Analysten befürchten eine neuerliche Kapitalerhöhung

Die Deutsche Bank aber, die während der Finanz- und später auch während der Euro-Schuldenkrise immer auf ihre eigene Stärke verwiesen hat, macht eine schwere Zeit durch. Cryans Analysen, dass das IT-System veraltet und viele Prozesse nicht effizient genug sind, haben die Lage weiter verschlechtert. Vor allem die Rechtsstreitigkeiten bedrohen die Bank. Rückstellungen von 5,5 Milliarden Euro hat sie dafür bereits gebildet. Aber das dürfte wohl nicht reichen, fürchtet Cryan.

Die höchste Belastung droht wohl aus der Geldwäscheaffäre in Moskau, in der die US-Behörden ermitteln. Analysten schließen eine hohe einstellige Milliardenstrafe nicht aus. Von 2012 bis 2015 hat die Bank für Rechtsprobleme bereits fast 13 Milliarden Euro gezahlt. Zum Vergleich: über Kapitalerhöhungen wurden seit 2008 fast 25 Milliarden Euro an frischem Geld eingesammelt. Viele Analysten befürchten daher, dass die Bank um eine erneute Kapitalerhöhung nicht herumkommen wird – und so etwas ist für Aktionäre keine gute Nachricht.

Warum die deutsche Bank eigene anleihen zurückkauft

Rückkauf
Der Finanzdienst Bloomberg hat ausgerechnet, dass die Deutsche Bank derzeit rund 144 Milliarden Euro Schulden ausstehend hat. Knapp 54 Milliarden entfallen auf die Wertpapiere (Anleihen), von den die Bank jetzt einige zurückkauft. Das Kalkül dabei: viele dieser Wertpapiere kosten derzeit auf dem Finanzmarkt weniger Geld als den Betrag, den die Bank am Ende der Laufzeit dem Inhaber zurückzahlen müsste. Kauft die Deutsche Bank nun selbst diese Papiere zum geringeren Preis, erspart sie sich bares Geld.

Coco-Bonds
Die Deutsche Bank hat im Jahr 2014 als erstes deutsches Geldhaus spezielle neue Anleihen begeben, mit denen sie ihre Kapitaldecke im Krisenfall aufpolieren könnte. Diese sogenannten Cocos (Contingent Convertible Bonds) – Zwangswandelanleihen – werden relativ hoch verzinst. Cocos sind zunächst Fremdkapital, werden aber automatisch in Eigenkapital umgewandelt, wenn der Kapitalpuffer der Bank unter eine bestimmte Schwelle sinkt.