Der 2006 geschlossene Bundeswehrstandort Külsheim hat sich allen Unkenrufen zum Trotz zu einem Wirtschaftszentrum gewandelt. Die Gemeinde im Mai-Tauber-Kreis hat damals ihr Schicksal selbst in die Hand genommen.

Külsheim - Rauchschwaden über dem Gelände, Flammen, die aus einem Container schlagen – bei der ehemaligen Panzerwaschanlage geht es immer wieder martialisch zu. Auf dem Gelände der Prinz-Eugen-Kaserne aber üben nicht Soldaten für den Krieg, sondern Feuerwehrleute aus ganz Deutschland und aus dem Ausland trainieren hier in der größten holzbefeuerten Brandübungsanlage Süddeutschlands – beispielsweise den Einsatz mit schwerem Atemgerät. Das „International Fire Rescue Training“-Ausbildungszentrum hat hier ideale Trainingsbedingungen samt Seminarräumen und Unterkünften gefunden. Es ist eines in einer Reihe von Unternehmen, die zivile Nachnutzer des rund 52 Hektar großen Geländes in Külsheim im Main-Tauber-Kreis sind.

 

„Wir sind auf einem guten Weg in die Zukunft,“ sagt der seit einem Jahr amtierende Bürgermeister Thomas Schreglmann (CDU). Die Stadt Külsheim wandelt sich, sechs Jahre nach dem Abzug der Truppen, von einem Bundeswehr- zu einem Wirtschaftsstandort.

Investitionen erwiesen sich im Nachhinein als Glück

Ende 2004 hingegen sah die Zukunft noch düster aus. Der damalige Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SDP) kündigte an, rund 100 Bundeswehrstandorte zu schließen. Auch die Prinz-Eugen-Kaserne stand auf der Liste. Der Schock saß tief. „Wir hatten uns sicher gefühlt“, sagt der Hauptamtsleiter Günter Bischof. Schließlich hatte die Bundeswehr in den vergangenen Jahren massiv in den Standort Külsheim investiert – etwa in ein Sportbad mit 25-Meter-Becken, in eine neue Großküche für rund 7,6 Millionen Euro zur Verpflegung von 1500 Mann. „Alles Edelstahl, alles vom Feinsten“, erzählt der Bürgermeister, 2002 erst sei die Großküche in Betrieb gegangen. Insgesamt seien stattliche 17 Millionen Euro in den drei Jahren vor der Schließung Ende September 2006 verbaut worden – ein Glück im Nachhinein für die Kommune.

Damals aber herrschte Weltuntergangsstimmung wegen des Abzugs des mit Abstand größten Arbeitgebers, mehr als 300 Zivilbeschäftigte arbeiteten in der Kaserne. In der ländlich geprägten Gegend schien es aussichtslos, einen neuen Job zu finden, zumal die Kaserne in der nahe gelegenen Stadt Tauberbischofsheim ebenfalls geschlossen wurde.

Eine Studie ging vom Schlimmsten aus: Der Einwohnerverlust brächte Leerstände, weniger Schüler, weniger Kaufkraft, mit negativen Auswirkungen auf Handel, Handwerk Gastronomie. Tatsächlich registriert wurden ein Einbruch von 70 Prozent beim Gasverkauf, 25 Prozent weniger Wasser wurde abgenommen. Die kurz vor der Fertigstellung stehende Kläranlage war plötzlich „total überdimensioniert“, berichtet Schreglmann. Der Tankstellenpächter berichtete von 30 Prozent Einbußen, der Lebensmittelhändler hatte pro Woche 1000 Euro weniger in der Kasse – allein bei Tabakwaren.

Nach der Klausurtagung herrschte Aufbruchstimmung

Der damalige Bürgermeister Günther Kuhn stellte sich der Herausforderung. Nur wenige Monate nach der Hiobsbotschaft waren im April 2005 auf einer zweitägigen Klausurtagung mit dem Gemeinderat kreative Ideen gefragt. „Danach herrschte Aufbruchstimmung“, erinnert sich die Kämmerin Elke Geiger-Schmitt. Als wichtige Ziele wurden Bildung und Tourismus identifiziert. Die Hauptschule sollte erhalten, der Tourismus in der mittelalterlichen „Brunnenstadt“, so der Beiname wegen der 18 zum Teil historischen Brunnen, belebt werden.

Die wichtigste Erkenntnis damals: „Wir müssen uns selbst um die Kaserne kümmern“, sagt der Hauptamtsleiter. Der Bund schließe das Tor zu, betreibe keine aktive Vermarktung. „Wir kaufen.“ Der risikofreudige Beschluss fiel einstimmig, obwohl noch keine Summe ausgehandelt war. Letztlich war es ein „siebenstelliger Betrag“, den Preis will die Stadt nicht nennen. Der Kauf sei über Kredite außerhalb des Haushalts finanziert worden und soll über Grundstücksverkäufe und Mieteinnahmen getilgt werden, erklärt die Kämmerin. Seit 8. November 2007 hat Külsheim das Kommando auf dem Areal.

Die damals knapp 6000 Einwohner zählende Stadt übernahm: 15 Mannschafts-, zwei Wirtschaftsgebäude, vier Verwaltungs- und Unterrichtsgebäude, 21 Hallen, zum Teil mit Gruben und Schwerlastkränen, sieben Schleppdächer, zwei Mehrzweckhallen, eine Sporthalle, ein Hallenbad, zwei Tennisplätze, ein Stadion, einen Exerzierplatz, jede Menge Freiflächen, betoniert und panzerfest, eine zentrale Heizungsanlage, das gesamte Stromnetz. Die Stadt beherzigte einen weiteren Tipp: Sie sicherte sich über 400-Euro-Jobs den technischen Sachverstand von ortskundigen ehemaligen Bediensteten.

Die Ansiedlung der Maschinenfabrik erweist sich als Glücksfall

Ein „Glücksfall“ für den Bürgermeister Kuhn kam, nur zwei Monate später: im Januar 2008 kaufte eine weltweit tätige Maschinenfabrik aus dem benachbarten Hardheim ein rund 3,5 Hektar großes Gelände mit Panzerhallen. Inzwischen haben sich auf dem Areal viele Firmen angesiedelt, Flächen gemietet oder gekauft, einige planen bereits die Erweiterung, andere haben neu gebaut. Lediglich die Mannschaftsunterkünfte, unwirtschaftlich aufgrund der breiten, zum Antreten ausgelegten Flure, sollen abgerissen werden.

Laut Günter Bischof sind auf dem ehemaligen Kasernengelände, dem Gewerbepark II, inzwischen rund 240 Arbeitsplätze neu entstanden. Die Gewerbesteuer in Külsheim ist von einst rund 700 000 auf heute eine Million Euro gestiegen, ein Viertel zahlten die Betriebe in der Kaserne, sagt Elke Geiger-Schmitt. Dennoch hänge die mit gut sechs Millionen Euro verhältnismäßig hoch verschuldete Gemeinde am Finanztropf des Landes, bei einem Schuldenstand von rund 1100 Euro pro Einwohner und einem Haushaltsvolumen von knapp elf Millionen Euro im Verwaltungs- und 2,1 Millionen Euro im Vermögenshaushalt.

Flache Hierarchien sichern den Erfolg

Die Rechnung scheint aufzugehen: Immerhin rund ein Drittel der Schulden vom Kasernenkauf sind seit 2007 bereits abgebaut worden – „außer Haushalt“ liegt die Verschuldung durch den Kasernenkauf und diverse Neubaugebiete bei 1,728 Millionen Euro. Die „Business Area Külsheim GmbH“, mit den beiden Geschäftsführern Geiger-Schmitt und Bischof sowie Bürgermeister Schreglmann als Vorsitzendem arbeitet erfolgreich. Ihr Rezept: flache Hierarchie, klare Ansprechpartner, schnelle Entscheidungen. Und auch mit dem Schulkonzept agiert die Stadt zukunftsweisend. „Von dramatisch steigenden Schülerzahlen“ spricht Bürgermeister Schreglmann. Rund 80 Schüler kommen inzwischen selbst aus Wertheim und Tauberbischofsheim in die Werkrealschule mit Mensa und Ganztagsbetreuung. Das Konzept der Gemeinschaftsschule sei hier vorweggenommen worden, sagt der Bürgermeister.