Zu den Gemeinderatswahlen am 25. Mai gibt es in etlichen Großstädten im Land mehr Bewerber denn je. Paul Witt, der Rektor der Hochschule für Verwaltung in Kehl, erklärt das so: Die Menschen wollen mitreden, sich aber nicht an eine Partei binden. Deshalb werden immer mehr freie Listen gegründet.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Kehl - Am 25. Mai haben rund 8,5 Millionen Wahlberechtigte in Baden-Württemberg die Wahl: In 1101 Städten und Gemeinden werden rund 20 000 Gemeinderatsmandate wieder- oder neu besetzt. In den 35 Landkreisen geht es zudem um rund 2300 Kreistagssitze. In 410 Gemeinden werden bei Ortschaftsratswahlen rund 13 000 Mandate in 1700 unselbstständigen Ortschaften verteilt. Rund um die Landeshauptstadt wird außerdem die Regionalversammlung des Verbands Region Stuttgart neu gewählt.

 

Die Kommunalwahl findet zusammen mit der Europawahl statt, das spart nach Auffassung des Innenministeriums Arbeit und hebt die Wahlbeteiligung. Vor fünf Jahren machten 50,7 Prozent der wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger von ihrem kommunalen und 52 Prozent von ihrem europäischen Wahlrecht Gebrauch.

Wählen ist mehr als ankreuzen

Ein Vergleich der Wahlbeteiligung mit derjenigen vor fünf Jahren wird nach dem 25. Mai nicht stimmig sein, das Berechnungsverfahren wurde geändert und eine Million junger Menschen kann erstmals wählen, das Wahlalter wurde auf 16 Jahre herabgesetzt. „Die Wahlbeteiligung wird prozentual wahrscheinlich weiter zurückgehen“, vermutet Paul Witt, der Rektor der Hochschule für Verwaltung in Kehl, „denn Jungwähler sind tendenziell Nichtwähler.“ Es wird sich zeigen, inwieweit spezielle Erstwählerprojekte Wirkung haben.

Denn Wählen heißt bei Kommunalwahlen im Südwesten nicht nur Ankreuzen: Der Wähler darf Kandidaten verschiedener Listen auf einem Wahlzettel vereinigen (Panaschieren) und zwischen einer und drei Stimmen vergeben (Kumulieren). „Das baden-württembergische Kommunalwahlrecht ist das beste in ganz Deutschland“, findet Witt. Das Zusammenstellen eines „Wahlmenüs“ komme denjenigen entgegen, die sich von einer Partei nicht mehr vertreten fühlen.

Trend weg von den Parteien

Der Trend weg von den Parteien ist auf lokaler Ebene ungebrochen. „Bürger, die sich nicht parteipolitisch binden und auch nicht als Nichtmitglieder auf Parteilisten kandidieren wollen, gründen lieber eine eigene freie Liste“, beobachtet der Kommunalexperte Witt, der selbst jahrelang Gemeinde- und Kreisrat war. Viele Listen gehen aus Bürgerinitiativen hervor, oft wird die Liste von einem oder mehreren bekannten Aktivisten angeführt. Neue Listen kommen auch zustande, wenn sich Gruppen unterrepräsentiert fühlen, Jugendliche oder Frauen etwa. In großen Städten gibt es nicht nur neue Listen, sondern auch genügend Kandidaten, in mittleren und kleineren Kommunen konnten nicht alle Listen komplett besetzt werden.

Die Chancen, mit einer vollen Liste ein Mandat zu erringen, sind nicht schlecht, die Zulassungshürden nicht sehr hoch. Doch mit dem Gewinn des Mandats fängt die Arbeit erst richtig an. „40 Stunden im Monat, das muss man schon aufbringen“, berichtet Paul Witt aus eigener Erfahrung. Davon dürfen sich Bewerber nicht abschrecken lassen. „Das ist Arbeit, aber auch interessant, denn man kann selbst gestalten und sieht die Ergebnisse vor Ort“, sagt Witt.