Wie hat sich der Polizeidienst in den vergangenen Jahrzehnten verändert? Die 26-jährige Kriminaltechnikerin Daniela Görner aus Ludwigsburg und ihr 54-jähriger Kollege Ulrich Koch aus Böblingen im Gespräch.

Region: Verena Mayer (ena)
Wenn Ulrich Koch und Daniela Görner einen Tatort betreten, stecken sie in einem weißen Ganzkörperanzug aus Plastik. Wie die Ermittler von der „Spusi“ im Krimi. Über die Fernsehkommissare lächeln die beiden Kriminaltechniker vom Polizeipräsidium Ludwigsburg allerdings meistens. Weil die Filme wenig mit der Realität zu tun haben. Wenn Ulrich Koch von früher erzählt, vergeht Daniela Görner das Lachen allerdings: Es erscheint ihr unglaublich, dass es eine Zeit ohne DNA-Analyse gegeben hat.
Herr Koch, Frau Görner, haben Sie heute schon einen Fall gelöst?
Ulrich Koch Heute Morgen sind uns einige Einbrüche gemeldet worden. Meine Kollegen sind jetzt draußen und untersuchen die Tatorte. Aber da darf man nicht zu viel erwarten. Eigentumsdelikte sind schwierig aufzuklären. Da gibt es oft keine Zeugen und auch nur wenige verwertbare Spuren.
Was war Ihr letzter Erfolg?
Koch In Böblingen gab es in den letzten drei Wochen drei Brände, die wir untersucht haben. Einer davon hat sich als Unglücksfall erwiesen, bei den beiden anderen war ein technischer Defekt die Ursache. Das sind zwar keine Straftaten gewesen, aber wir können trotzdem sagen, dass wir drei Fälle gelöst haben.
Erinnern Sie sich an Ihren ersten Fall?
Koch Natürlich! Das war gleich ein Mordfall. Ein junger Dealer war in seinem Hotelzimmer erdrosselt worden. Der Täter hatte dort zwar
Der 54-jährige Ulrich Koch Foto: Achim Zweygarth
einen Ohrring verloren, aber damit konnten wir nichts anfangen. Die DNA-Analyse war damals, Mitte der 90er Jahre, noch nicht so weit entwickelt. Erst vier Jahre später konnten wir das Zellmaterial an dem Schmuckstück auswerten und den Täter dann auch überführen.
Daniela Görner Das ist sehr interessant zu hören. Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie das war, als man noch keine DNA-Spuren verarbeiten konnte.
Was haben Sie dabei, wenn Sie an einen Tatort fahren?
Görner Meinen Spurensicherungskoffer. Darin befinden sich unter anderem Ruß- und Magnetpulver, mit dem ich Fingerspuren sichtbar machen kann. Wir haben eine sogenannte Spurensicherungsfolie dabei und eine Abdruckmasse, die man bei Hebelspuren verwendet, um Merkmale von Geräten zu ermitteln.
Koch Inzwischen machen wir auch viel mit Fotografie. Und anders als früher haben wir heute standardmäßig Wattestäbchen dabei für die Sicherung von DNA.
Als die Polizei das so genannte Phantom von Heilbronn suchte, waren die Wattestäbchen keine Hilfe. Jahrelang haben die Ermittler eine Täterin gejagt, die es gar nicht gab: Die DNA auf den Wattestäbchen stammte von einer Frau – aus der Verpackungsfabrik.
Koch Dieser Fall hat wirklich kein gutes Bild auf die Polizei geworfen. Viele haben sich gefragt, wie so was passieren kann. Aber das Gute daran ist immerhin, dass wir daraus gelernt haben. Seither werden in Baden-Württemberg nur noch einheitliche, zertifizierte Spurensicherungsmaterialien verwendet. Erst seit der Panne gibt es auch DNA-freie Wattestäbchen. Die werden jetzt extra begast mit Ethylenoxid. So gesehen, hat uns das Phantom weiter gebracht.
Görner Dieser Fall spielt eine große Rolle in der Ausbildung. Daran sieht man, wie einschneidend er war.
Frau Görner, Sie sind erst ein halbes Jahr bei der Kriminaltechnik. Davor waren Sie im Streifendienst. Gefällt Ihnen Ihre neue Arbeit?
Görner Ja! Egal, ob man einen Einbruch in ein Schwimmbad untersuchen muss, einen Brand oder einen Mord – am Anfang weiß man nie, was einen erwartet. Aber wenn man sich seinen Weg durch die Spuren bahnt und am Ende aus vielen Puzzleteilen ein Bild zusammensetzen kann, das ist ein tolles Gefühl.
Belasten Sie die Fälle nicht, mit denen Sie konfrontiert werden?
Görner Man ist ja nicht alleine. Wir sind ein Team, da spricht man miteinander und kann allein dadurch viel verarbeiten.
Koch Das ist nicht wie im Fernsehen, wo ein Kommissar mit seinem Kollegen ein Verbrechen klärt. In der Realität tragen viele Beamte zur Lösung bei. Die einen sichern Spuren, die anderen vernehmen Zeugen, wieder andere gleichen Daten im Computer ab. Also kein Vergleich zum „Tatort“.