Morgens gegen 3 Uhr sind sich auf dem Cannstatter Wasen sechs junge Leute über den Weg gelaufen. Was zunächst eine nette Begegnung war, endete damit, dass einem Jugendlichen das Handy abgenommen wurde. Nun hat das Amtsgericht Waiblingen drei der Beteiligten verurteilt.

Morgens gegen drei Uhr sind sie sich im September auf dem Cannstatter Wasen über den Weg gelaufen: ein männliches Trio aus dem Raum Backnang und zwei junge Männer und eine junge Frau aus Göppingen. Beide Gruppen hatten nach einem Volksfestbesuch die letzte S-Bahn verpasst. So kam man ins Gespräch und fand sich recht sympathisch. Bis plötzlich ein 17-Jähriger aus dem Backnanger Dreiergespann einem gleichaltrigen Göppinger sein Handy aus der Hand nahm und den Besitzer aufforderte, 50 Euro herauszurücken – andernfalls werde er das Telefon nicht zurückgeben. Der Bestohlene weigerte sich. Sein Handy hat er zwar später von der Polizei wiederbekommen, allerdings ohne die Speicherkarten und somit ohne alle Daten und Fotos, die ihm sehr am Herzen lagen.

 

Am Dienstag haben sich die sechs Jugendlichen bei einer Verhandlung des Waiblinger Amtsgerichts ein zweites Mal getroffen. Die Mitglieder der Göppinger Clique waren als Zeugen geladen, das Trio aus Backnang saß auf der Anklagebank. Denn die Staatsanwaltschaft warf den heute 17 und 18 Jahre alten Männern räuberische Erpressung und Nötigung vor.

Alle Beteiligten waren betrunken

Wie die Begegnung auf dem Volksfestgelände abgelaufen ist, das konnte das Jugendschöffengericht unter dem Vorsitz des Richters Martin Luippold in der ganztägigen Verhandlung nicht genau klären. Denn alle Beteiligten hatten den Abend über kräftig gebechert und waren zum Zeitpunkt des Vorfalls betrunken. „Wir haben sechs verschiedene Aussagen über die Abläufe“, war des Richters Bilanz nach der Anhörung der Angeklagten und Zeugen.

Das Gericht ging aber davon aus, dass einem der Angeklagten an diesem Septembermorgen spontan der Gedanke gekommen sei, sich das Handy zu schnappen. Anfangs nicht mit der Absicht, dieses zu stehlen, sondern um es als Druckmittel einzusetzen – eine Erpressung also. Und zwar eine schwere räuberische Erpressung, da der Täter seiner Forderung mit einer Waffe – einem Pfefferspray – Nachdruck verlieh. Sein damals 16 Jahre alter Kumpel versicherte, er sei lediglich als Zuschauer mit von der Partie gewesen, das Gericht hingegen ging davon aus, dass er sich zwar nicht aktiv an der Sache beteiligt, aber immerhin versucht habe, die Opfer verbal einzuschüchtern. Dann flüchtete das Trio.

Der dritte Angeklagte, mit 18 Jahren der älteste im Bunde, hatte sich bei der Auseinandersetzung wohl zunächst herausgehalten. Als der Bestohlene ihm folgte und sein Handy zurückforderte, hat er aber ein Messer gezückt und damit gedroht.

Die Angeklagten haben teilweise eine schwierige Schullaufbahn und eine Drogenkarriere hinter sich oder sind unter problematischen Verhältnissen aufgewachsen. Der 18-Jährige, der wegen eines anderen Delikts seit vier Monaten in Untersuchungshaft sitzt, war vor seiner Inhaftierung sogar obdachlos. Er stand am Dienstag nicht nur wegen der Nötigung auf dem Wasen vor Gericht, sondern auch wegen Diebstahls und Urkundenfälschung. So hatte er zum Beispiel die Tageseinnahmen eines Lokals, knapp 1300 Euro, gestohlen, in dem er zu dieser Zeit arbeitete.

Richter: Haftstrafe als „Segen“ für den Angeklagten

„In Ihrer Entwicklung geht es stetig den Bach hinunter“, sagte der Richter, der zu dem Schluss kam, die Untersuchungshaft sein wohl „ein Segen“ für den Angeklagten. Der Einsatz eines Messers könne „überhaupt nicht akzeptiert werden“, so Luippold. Das Gericht hielt daher eine neunmonatige Strafe ohne Bewährung für angemessen. Der Handydieb erhielt ebenfalls eine neunmonatige Strafe, die allerdings auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Außerdem muss der junge Mann sich regelmäßig mit einem Bewährungshelfer treffen und eine Suchtberatung besuchen. Dem Opfer muss er 500 Euro bezahlen. Der dritte Angeklagte wurde wegen Beihilfe zur Erpressung zu 40 Stunden gemeinnütziger Arbeit und dem Besuch einer Suchtberatungsstelle verdonnert.