Die Grünen wollen Homosexuelle, die wegen einvernehmlichem Sex unter Erwachsenen verurteilt wurden, rehabilitieren und entschädigen. Auch Justizminister Heiko Maas (SPD) befürwortet einen solchen Entwurf. Allerdings gibt es Zweifel, ob der Koalitionspartner bei diesem Vorhaben mitzieht.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Dass Homosexuelle bei Christopher-Street-Days quer durch die Republik selbstbewusst auf die Straße gehen, ist heute eine Selbstverständlichkeit. Aber bis Ende der sechziger Jahre waren sexuelle Handlungen zwischen erwachsenen Männern sowohl in der DDR als auch in der alten BRD strafbar. Mehr noch: Bis 1994 galten im Westen unterschiedliche Schutzaltersgrenzen für homo- und heterosexuelle Handlungen im Strafgesetzbuch.

 

Mehr als 50 000 Männer wurden wegen ihrer Homosexualität verurteilt

Jetzt gibt es einen Gesetzentwurf der Grünen, der die Rehabilitierung und Entschädigung der nach einschlägigen Paragrafen verurteilten Männer fordert. Auch das Bundesjustizministerium hat unmittelbar vor Beginn der Sommerpause noch ein entsprechendes Eckpunktepapier vorgelegt. Laut der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS), die auch ein Gutachten zu diesem Sachverhalt in Auftrag gegeben hat, wurden allein in Westdeutschland bis 1969 mehr als 50 000 Männer wegen ihrer Homosexualität zu teils mehrjährigen Haftstrafen verurteilt; in den Jahrzehnten danach gab es 3500 weitere einschlägige Urteile.

Die Grünen sprechen von monströsem Schandfleck des Rechtsstaats

Sowohl Bundesjustizminister Heiko Maas als auch die Grünen bewerten diese Verurteilungen als Verstoß gegen die Menschenrechte und die Verfassung. Sie berufen sich unter anderem auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der die Bestrafung einvernehmlicher homosexueller Handlungen unter Erwachsenen schon 1981 als Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention eingestuft hat. Zwar hat der Bundestag bereits im Jahr 2000 einstimmig festgestellt, dass durch die von den Nazis eingeführte und nach 1945 weiter bestehende Strafdrohung homosexuelle Bürger in ihrer Menschenwürde verletzt; aufgehoben jedoch wurden die Urteile nicht. Nach wie vor sind homosexuelle Männer vorbestraft, weil sie wegen einvernehmlichem Sex mit einem anderen Mann verurteilt worden sind. Die Grünen sprechen deswegen von einem „monströsen Schandfleck unseres Rechtsstaates“. Justizminister Maas sagte, dass der Staat deswegen „Schuld auf sich geladen hat“.

Justizminister hat bisher nur Eckpunkte vorgelegt

Die Grünen schlagen nun vor, die nach 1945 ergangenen Verurteilungen per Gesetz aufzuheben und die Betroffenen zu entschädigen. Katja Keul, die rechtspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag, zeigte sich gegenüber unserer Zeitung zwar erfreut, dass das Eckpunktepapier des Justizministeriums dem grünen Gesetzentwurf „erstaunlich ähnlich“ sehe. Sie ist aber skeptisch, ob die Koalition die Eckpunkte tatsächlich zur Gesetzesreife bringt. „Wir wollen, dass das möglichst schnell und auf jeden Fall noch in dieser Legislaturperiode beschlossen wird und nicht auf die lange Bank gerät“, sagte sie. Das Justizministerium erklärte, mit den übrigen Ressorts Gespräche über das Thema aufgenommen zu haben und kündigte „demnächst“ einen Gesetzentwurf an. „Wir streben es an“, sagte das Ministerium auf die Frage, ob der Bundestag noch in dieser Legislaturperiode darüber entscheide.