Bei zwei Hallenturnieren auf den Fildern ist es jüngst zu Zwischenfällen gekommen. Sie reihen sich in eine lange Liste mit Eskalationen ein. Protagonisten sind dabei nicht immer nur die Spieler, sondern auch Trainer und Zuschauer.

Stuttgart - Bei der 31. Sindelfinger Hallenfußballgala hat es am Wochenende keine besonderen Vorkommnisse gegeben. Das ist insofern berichtenswert, weil das zuletzt bei Turnieren in der Region nicht immer der Fall war. So kam es in Echterdingen zu einem Eklat. Ayhan Soylu, der Co-Trainer des TV Echterdingen, streckte im Finale Simon Hunger vom TSV Eltingen mit einem Kopfstoß nieder. Es folgte ein Tumult mit Spielern, Funktionären und Zuschauern. Dass ausgerechnet ein Trainer ein ausuferndes Aggressionspotenzial an den Tag legte, ist besonders bedenklich: „Gerade sie sollten Vorbild für andere sein“, sagt Thaya Vester, die am Institut für Kriminologie der Universität Tübingen zum Thema Gewalt im Fußball forscht.

 

Bis zu 6000 Spiele finden allein unter dem Dach des Württembergischen Fußballverbands (WFV) wöchentlich statt, Turniere sind dabei noch gar nicht eingerechnet. Angesichts der Masse an Spielen im Amateurbereich hilft – trotz aller Ansätze zur Gewaltprävention – letztlich nur ein Appell an die Spieler und vor allem die Trainer und Zuschauer. „Ein einzelner Gewaltvorfall wird sich leider nie verhindern lassen, da braucht man sich nichts vorzumachen“, sagt Thaya Vester. Anders als eine Randsportart sei Fußball ein Massenphänomen mit „einem Querschnitt durch sämtliche Gesellschaftsschichten“, gibt der WFV-Pressesprecher Heiner Baumeister zu bedenken, „inklusive einem enorm hohen Anteil von Aktiven mit Migrationshintergrund.“

Wird also, wie der WFV gerne betont, zu viel Wirbel um eine Bagatelle gemacht? Nicht wenn man Thaya Vester glauben darf. Dank der veränderten Berichterstattung und allgemeinen Wahrnehmung von Gewalt wird diese ihre Meinung nach weniger toleriert als in der Vergangenheit. „Man ist sensibler für das Thema geworden“, sagt die Wissenschaftlerin, die regelmäßig neues Forschungsmaterial bekommt.

Schiedsrichter werden immer wieder zu Opfern

Am Dreikönigstag etwa fand auf der Weidacher Höhe das 39. Hallenturnier der Spvgg Stetten statt – allerdings am Ende ohne Schiedsrichter. In der Partie zwischen den Gastgebern und Kosova Bernhausen kam es nach einem Wortgefecht zu Handgreiflichkeiten gegen den Unparteiischen von Seiten der Bernhausener. Erinnerungen an den Fall Levent Kabaoglu wurden wach: Der Schiedsrichter aus Fellbach war vor gut einem Jahr von einem Spieler des Kreisligisten Odyssia Esslingen per Kopfstoß niedergestreckt worden.

Zwar schloss die Turnierleitung in Stetten in Absprache mit der Verbandsaufsicht Kosova Bernhausen vom Turnier aus, die Referees entschlossen sich dennoch, ihren Dienst an diesem Tag zu quittieren. „Diese Entscheidung liegt letztlich im Ermessen der jeweiligen Unparteiischen“, sagt Heinz-Werner Zwicknagel, der für das Thema Gewaltprävention zuständige Schiedsrichterlehrwart des WFV.

Die Sportpsychologen rätseln: Liegt es daran, dass es gesellschaftlich akzeptiert zu sein scheint, „im Fußball die Sau herauszulassen“, wie Thaya Vester sagt? Oder an der Spannung des Spiels, bei dem – im Gegensatz zu anderen Sportarten – jeder Treffer entscheidend sein kann?

In Sindelfingen werden Schalker Fans massiv angefeindet

Die Vorkommnisse auf den Fildern sind bei Weitem keine Einzelfälle. So sahen sich beim Mercedes-Benz-Juniorcup im Sindelfinger Glaspalast – dem wohl bedeutendsten U-19-Turnier Deutschlands – die Fans des FC Schalke 04 massiven Anfeindungen ausgesetzt. Nach dem ersten Turniertag gab es Androhungen in den sozialen Netzwerken, dem Vernehmen nach von gewaltbereiten Gruppierungen aus Stuttgart. „Wir haben dann in Absprache mit der Polizei am zweiten Tag auf lautstarke Unterstützung der Mannschaft verzichtet“, sagt die Sprecherin der Schalke-Fans. Dabei waren es gerade die Gelsenkirchener Anhänger gewesen, die am ersten Turniertag für beste Stimmung gesorgt hatten.

Auffällig oft sind es nicht die Akteure selbst, die für eine Eskalation sorgen, sondern Trainer oder Zuschauer wie Spielereltern. So geschehen im Sommer in Holzmaden, als es während eines F-Junioren-Turniers – die Rede ist also von sieben- bis achtjährigen Kindern – zu einer Massenschlägerei zwischen Angehörigen kam. Zurück blieb damals ein Schwerverletzter und eine Schar verstörter Kinder.

Wenn einer zuschlagen will, schafft er das

Untätig ist man beim WFV nicht. Seit Jahren werden bereits Konfliktmoderatoren ausgebildet. Zudem hat der Verband über die Sportgerichtsbarkeit die Möglichkeit, Spieler mit Sanktionen – von Geldstrafen bis hin zu Spielsperren – zu belegen. Auch eine Coachingzone hat der WFV längst angeordnet. Seit 2013 setzt der Verband außerdem auf Antiaggressionstrainings – eine von vielen vorbeugenden Maßnahmen. Ein Präventionskonzept wird zurzeit in einer Arbeitsgruppe erarbeitet.

Ein positiver Ansatz, wie Thaya Vester findet: „Wenn einer zuschlagen will, dann schafft er das. Man sollte allerdings alles daran setzen, dass solch eine Situation dann nicht weiter eskaliert“, sagt die Gewaltforscherin. Ein Beispiel dafür ist die Bereitstellung von gekennzeichneten Ordnern. Dabei gibt es aber ein Problem: „Es gibt viel zu wenige Menschen, die bereit sind, solche Dienste zu übernehmen.“

Letztlich ist es auch an den Clubs, entsprechend zu reagieren. Der TV Echterdingen tat das und schloss den Co-Trainer Ayhan Soylu unverzüglich aus dem Verein aus.