Geiselnehmer wollen unbehelligt fliehen. Damit ihnen das gelingt, suchen sie eine möglichst breite Öffentlichkeit, denn diese erschwert der Polizei die Arbeit. Als die Gangster den Bus und die Mehrzahl der Geiseln freigegeben hatten, stiegen sie an der holländischen Grenze in einen Personenwagen um und fuhren nach Köln weiter. Dort wurden sie von zahlreichen Zuschauern schon erwartet. Sie plauderten mit ihnen und tranken Kaffee. Um ihnen den Weg aus der Stadt zu weisen, stieg der Chefredakteur eines örtlichen Boulevardblattes zu ihnen ins Auto und geleitete sie aus der Stadt in Richtung Autobahn.

 

Dass sich Medienvertreter hier als Helfer, Vermittler oder gar als Tauschobjekt gegen Geiseln angeboten haben, nur um journalistisch die Nase vorn zu haben, bedeutet einen Verlust sämtlicher Maßstäbe. Reporter sind dazu da, Vorgänge zu beobachten und zu beschreiben, nicht aber, den Gang der Ereignisse zu bestimmen. Menschen in Geiselhaft zu helfen, ist Sache der Polizei. Die Medien haben auch nicht zu vermitteln. In den USA gilt der Grundsatz, dass bei Geiselnahmen nur die Polizei verhandelt, niemand sonst. Zudem: Kidnapping ist eine Sache auf Leben und Tod, es eignet sich nicht zum öffentlichen Schauspiel.

Immerhin, wenig später stellte der Deutsche Pressrat fest, es habe Medien gegeben, welche die Grenzen ihres gesellschaftlichen Auftrags überschritten hätten. Interviews mit Geiselnehmern während des Geschehens dürfe es nicht geben, auch sei es nicht die Aufgabe von Journalisten, eigenmächtig Vermittlungsversuche zu unternehmen. Die Worte scheinen zu wirken, denn zu einem vergleichbaren Fehlverhalten der Medien ist es bisher nicht mehr gekommen.