Der moderne Mensch leidet ständig unter Bewegungsmangel. Diesem Problem versucht ein kurioses Fitnessgerät entgegenzuwirken: das Sprungseil ohne Seil.

Stuttgart - Was früher wohlig Faulheit hieß, hat sich in den modernen Industriestaaten in eine Zivilisationskrankheit verwandelt: Bewegungsmangel. Bewegung verlagert sich immer mehr aus den Muskeln ins Nervensystem. Die Menschen werden neuronaler und nervöser. In Fitnessstudios strampeln Bewegungsbedürftige auf Fahrrädern, die keine Räder mehr haben und laufen auf Bändern, ohne von der Stelle zu kommen. Die Stadtplaner der Fünfzigerjahre hatten die autofreundliche Stadt entworfen, heute steht dem eine zunehmende Versportung der Städte entgegen. Durchgehende Grünzüge werden angelegt, Fahrradnetze weiträumig ausgebaut und Jogger-Pulks und Tai-Chi-Übende gehören zum Straßenbild moderner Metropolen. Der Siegeszug des Sportschuhs führt dazu, dass der neue Bewegungswille, der sich längst zur Weltanschauung ausgewachsen hat, ständig und überall präsent ist. Die Frage „Wie geht‘s?“ weist darauf hin, welche zentrale Rolle das Gehen spielt.

 

Manche Menschen aber haben keine Zeit oder sind aus anderen Gründen daran gehindert, sportlich Auslauf zu suchen. Also verlegt man den Vorgang in Wohnung, Büro oder Studio. Fitnessgeräte substituieren Wege (Laufband), Fahrzeuge (Trimmrad) oder Boote (Ruderbank) und bringen sie ohne den sonst nötigen Platzbedarf in einem Raum unter. Nun gibt es aber auch kleine Räume oder welche, in denen Lampen tief von der Decke hängen. Wer dort versucht, Seil zu springen, läuft Gefahr, ein paar Kronleuchterkristalle einzufangen oder den Gummibaum zu entlauben. Hiergegen möchte eine bemerkenswerte Erfindung helfen: das Sprungseil ohne Sprungseil.

Integrierter Kalorienzähler

Man kann damit Seilspringen, ohne Seil zu springen. Sind wir ehrlich: Es handelt sich um ein virtuelles Sprungseil für Menschen, die zu doof sind, ein richtiges Sprungseil zu benutzen. Wofür man bezahlt, sind die zwei verbleibenden Griffe, die zum Trost für das Verschwinden des Seils mit ein bisschen Technik ausgestattet sind. Man tut so, als würde man das Seil schwingen, und schon zählen die Griffe das als einen Sprung und listen die verbrauchten Kalorien auf. Man muss auch nicht wirklich springen. Es reicht schon, ein bisschen in den Knien einzuknicken, und auch das ist nicht wirklich nötig. „Ja“, schreibt ein Scheinseilspringer in einem Produktkommentar zu einer der zahlreichen Ausführungen des seillosen Seils – „man kann auch einfach auf dem Sofa sitzen und die Dinger rumwirbeln, wenn man mag, und das Gerät wird glauben, dass man springt. Aus einem Grund, der sich mir noch nicht ganz erschlossen hat, ist das immer das erste, was die Leute wissen wollen, wenn sie das Ding bei mir zu Hause sehen.“

Luxuriösere Versionen muntern einen auch auf: Im Motivationsmodus redet es aus den Griffen heraus, dass der Sportsgeist nicht erlahmen möge. Die Bewegungen, die ein erwachsener Mensch pro Tag durchschnittlich ausführt, entsprechen der Leistung eines Krans, der einen Sechstonner mit Anhänger 50 Meter hoch hebt. Und es gibt noch eine andere eindrucksvolle Fähigkeit, über die der Mensch verfügt, vor allem, wenn er seine Faulheit überwinden soll: die Selbstüberlistung. Wer hier schwächelt, für den ist das seillose Seil eine formidable Hilfe.

In Japan, wo der Platz knapp ist, wurde bereits vor einiger Zeit eine ähnliche Neuerung aus einer ruhigeren Sportart gemeldet: Das Virtual Masters Reel ist eine Angel ohne Rute. Dafür ist an der Rolle ein kleines Display angebracht, über das man virtuelle Fische fangen kann.