Streicheln statt Klicken: Auch in der Welt der Computer halten die Emotionen Einzug.

Stuttgart - Unternehmen engagieren gezielt Experten für Wohlgefühle. 2010 schrieb der amerikanische Internet-Unternehmer Tony Hsieh ein Buch mit dem verheißungsvollen Titel „Delivering Happiness“ – Glück verbreiten. Und zwar in Unternehmen. Da er Vorstandschef eines erfolgreichen Online-Bekleidungsshops und ein gefragter Referent auf Kongressen war, schrieb Hsieh das Manuskript in zweieinhalb Wochen, teils in Schichten von 20 Stunden, wachgehalten von Kaffeebohnen in Wodka. Das Buch hielt sich 27 Wochen lang in der Bestsellerliste der New York Times.

 

Glück in der Firma? Sollte man nicht Geschäft und Gefühl auseinanderhalten? Zwar gibt es von Hsies Buch nicht einmal eine deutsche Übersetzung, aber ein davon inspiriertes neues Berufsbild hat es doch bis zu uns geschafft: der Chief Happiness Officer. Zu den Pionieren der Werktätigkeitswonne gehören Firmen wie die Münchner Digitalagentur Cobe („Creators Of Beautiful Experiences“), die sich neben vier Geschäftsführern auch einen Glücksbeauftragten leistet.

Die unromantischen Gründe dafür fasst Geschäftsführer Felix van de Sand – Felix kommt, nebenbei, aus dem Lateinischen und bedeutet „der Glückliche“ – unter der Bezeichnung „Barcelona-Prinzip“ zusammen. Man möchte seine Mitarbeiter binden, so wie der Fußballclub seine Spieler großzieht und zu halten versucht: „Über Gehälter können wir nicht mit den großen Agenturen konkurrieren. Bei uns können sich die Mitarbeiter dafür entwickeln. Und sie sollen sich wohlfühlen.“ Die Arbeit des Glücksspezialisten besteht vor allem aus Kommunikation. Er spricht mit den Kollegen über ihre Antriebe, Ziele, Gestaltungswünsche und versucht, für jeden Mitarbeiter je nach persönlicher Motivation einen individuellen Entwicklungsplan zu erstellen.

Maschinen sollen lernen, in Gesichtern zu lesen

Aber auch in anderen Bereichen hält das Emotionale Einzug. Die kapazitiven Touchscreens, beginnend mit dem iPhone, läuteten die Zeit der Maschinenzärtlichkeit ein. Nun wird nicht mehr geklickt, sondern gestreichelt. Apple hat inzwischen das kalifornische Start-up Emotient gekauft, das Verfahren aus der Künstlichen Intelligenz benutzt, um Gefühle an Gesichtern erkennen zu können. Warum noch eine Suchmaschine fragen, wenn der Rechner selbst erkennt, dass man etwas wissen will? Glückliche Menschen sind kreativ und neugierig. Dem Glücksforscher Ed Diener zufolge sammeln sie viele kleine, positive Anlässe zu einem Kontinuum stiller Wonne, statt auf das große Glück zu warten. Der Emotionsexperte Mihaly Csikszentmihalyi nimmt an, dass bestimmte Verrichtungen wie Essen, Geselligsein, Sex, Sport oder Mediengenuss den Menschen potenziell glücklich machen und dass es eine bestimmte Intensität von glücksnahen Gefühlen gibt, der er den Namen „Flow“ gab.

Gefühle sind die interessanteste Art von Ungenauigkeit, die wir kennen. Sie helfen uns, auf schwer bestimmbare Informationsschwaden, die uns erreichen, schnell zu reagieren oder selbst initiativ zu werden. Sie können Widersprüche in der Schwebe belassen, wenn diese sich nicht gleich beheben lassen, oder scheinbar nicht zusammengehörende Signale miteinander verbinden und so Fundamente für die Vernunft legen. Gefühle sind die Fußsoldaten der Vernunft. Manchmal sehe ich das, was wir Tagesbewusstsein nennen, als ein einziges, hell erleuchtetes Fenster hoch oben an einem dunklen Wolkenkratzer in einer dunklen Stadt, die wir selbst sind und in der samtweich, schwarz und schnell die Gefühlsströme fließen und uns mit all dem versorgen, das es – außer ein wenig Vernunft – zum Leben noch braucht.