Die Pläne für Standort und Neubau des Globe-Theaters der Freilichtspiele auf der Kocherinsel in Schwäbisch Hall stehen in der Kritik. OB Hermann-Josef Pelgrim musste sich kritische Fragen gefallen lassen.

Schwäbisch Hall - Am Eingang verteilen Mitglieder des so genannten Bürgerforums Kopien eines Beitrags der Stuttgarter Zeitung: „Weder Kasse noch Konzept stimmen am Kocher“ war der Artikel im September vergangenen Jahres überschrieben. Thema waren die Freilichtspiele Schwäbisch Hall, jahrelang das kulturelle Aushängeschild der Stadt am Kocher. Deren Strahlkraft verblasst: Die Zuschauerzahlen gehen zurück, zwei Jahre in Folge wurde ein Defizit erwirtschaftet, das die Stadt zu tragen hat. „Wir haben dem Intendanten die gelbe Karte gezeigt“, sagt ein Gemeinderat hinter vorgehaltener Hand. Ausgerechnet in dieser heiklen Situation muss für das in die Jahre gekommene Globe-Theater auf dem Unterwöhrd eine neue Spielstätte her.

 

Solche weitreichenden Entscheidungen lassen sich die mündigen Bürger von heute nicht mehr so einfach mitteilen. Dabei geht es den wenigsten ums Geld – dass man sich Kultur etwas kosten lässt, ist in der ehemaligen freien Reichsstadt unbestritten. Die Volkshochschul-Veranstaltung „Stadtplanung trifft Bürgerschaft“ mit rund 130 Interessierten macht aber deutlich: Die Krise der Freilichtspiele unter Intendant Christoph Biermeier ist ebenso eine Krise zwischen dem Oberbürgerbürgermeister Hermann-Josef Pelgrim (SPD) und den Bürgern. Denn der hat praktisch an den Hallern vorbei ein Konzept erarbeitet, das er per Lokalpresse an die Bürgerschaft weitergibt. Er möchte ein ganzjährig bespielbares Theater mit 400 Sitzplätzen, gebaut im Stil eines griechischen Odeion-Theaters, platziert unweit des hölzernen Globe-Theaters. So etwas gebe es nirgendwo, das sei ein „Alleinstellungsmerkmal“. Die Leserbriefe sind so beißend wie die Kommentare auf den Plakaten, die Mitglieder des Bürgerforums in Händen halten: „Wir bekommen Planungen vorgesetzt wie Hunde ihr Futter.“

Der OB bemüht die Geschichte, um für die Pläne zu werben

Rund 40 Minuten spricht das Stadtoberhaupt an diesem Abend und bemüht die Geschichte der alten Reichstadt, um die Wahl des Standorts zu erläutern. Auf der Kocherinsel Unterwöhrd standen nämlich einst das alte und dann das neue Solbad der Stadt, das Hall in den Rang eines Luftkurorts erhob. Damit sei die „Entwicklung bereits eingeleitet“ worden, Bad und Park seien als Keimzelle der „aufstrebenden Kulturstadt in der Region der Weltmarktführer“ (so lautet Halls neues Leitbild) zu sehen. Ein Gesamtkonzept für die Innenstadt muss her, fordern dagegen vehement die SPD-Fraktion und viele Bürger. Dringenden Handlungsbedarf sehen sie vor allem auf dem Haalplatz. Die Stelle, an der einst die Haalquelle und damit der Reichtum der Stadt sprudelte, dient heute als wenig attraktiver Innenstadtparkplatz.

Warum also nicht das Globe für weitere Jahre ertüchtigen, bis ein tragfähiges Konzept für die Innenstadt erarbeitet ist? Das fragt ein Bürger im Saal, und das fragen sich viele in der Stadt. Vor allem aber fragen sie sich: Warum werden wir erst jetzt informiert? Warum gibt es keinen Architektenwettbewerb?

Das Stadtoberhaupt sieht sein Vorgehen legitimiert, immerhin habe der „demokratisch gewählte“ Gemeinderat 100 000 Euro für die Planung freigegeben. „Es gibt viele Bürgerschaften, nicht nur die, die sich lautstark dafür halten“, hält er den Kritikern entgegen. Und überhaupt sei man erst am Anfang des Verfahrens. Der Vorschlag sei mit dem Festspielkuratorium und der Stadtplanung erarbeitet worden. Die Skizzen des Planungsbüros Hüls/Münster seien nicht als Realisierungsauftrag zu verstehen, sagt. Pelgrim, sondern lediglich eine „Visualisierung“ mit viel Luft und Licht. Wie an den rückläufigen Besucherzahlen abzulesen sei, trage das Publikum das Angebot im in die Jahre gekommenen Globe nicht mehr mit.

Die Bürger vermissen Idee und Gesamtkonzept

Das provoziert die Frage eines Bürgers nach dem künstlerischen Konzept des Intendanten. Triebfeder für den Bau eines neuen Theaters sei offenbar eher, dass es irgendwie weitergehen müsse – ihm fehle die dahinter stehende Idee. „Wir wollen den griechischen Gedanken des Volkstheaters weiterentwickeln“, gibt Biermeier etwas wolkig Auskunft. Und Halls Erste Bürgermeisterin Bettina Wilhelm wirbt für eine Nutzung durch alle Kulturschaffenden der Stadt, schließlich benötigten die Freilichtspiele das neue Theater nicht ganzjährig: „Vielfalt ist die Idee.“

Immerhin stellt der Oberbürgermeister am Ende einen „unabhängigen Planungsbeirat“ in Aussicht. Die Zeit drängt. Ende 2016 läuft die mehrfach verlängerte Genehmigung für das hölzerne Shakespeare-Theater aus, das im Jahr 2000 ohnehin nur als Provisorium errichtet worden war. Noch einmal zwei Jahre soll der Gemeinderat nach dem Willen Pelgrims dem Globe geben. In dieser Zeit soll das neue, fünf bis sechs Millionen Euro teure Projekt – plus einer neuen Kocherbrücke als Zufahrt – realisiert werden. Die heftige Debatte zeigt, dass sich die Bürger nicht erst genommen, überrumpelt fühlen. Ob der Gemeinderat seinem Vorsitzenden eine breit angelegte und öffentliche Diskussion aufzwingt? Das fordert zumindest – stellvertretend für viele – eine Bürgerin in einem offenen Brief, der in der Stadt kursiert.