Wer glücklich ist, dem geht es auch gesundheitlich besser. Doch Ärzte und Forscher tun sich schwer mit dem Glück. Auf einer Veranstaltung in Stuttgart geben sie dennoch Tipps, was man für ein glückliches Leben tun kann.

Stuttgart - Glück und Gesundheit hängen zweifellos zusammen. „Dass es medizinisch förderlich ist, positive Emotionen und optimistische Zufriedenheit zu fördern, weiß man: Wer glücklich ist, wird seltener krank und schneller gesund, denn die Selbstheilungskräfte kommen besser zur Entfaltung“, erklärte der Stuttgarter Arzt Suso Lederle zu Beginn der Veranstaltung „Glück ist kein Zufall – was macht die Menschen glücklich?“. In der Reihe „Gesundheit beginnt im Kopf“ hatte Lederle zu diesem Thema zwei Experten vom Zentrum für Seelische Gesundheit des Klinikums Stuttgart als Gesprächspartner eingeladen: Martin Bürgy, den Leiter der Klinik für Spezielle Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie, sowie Matthias Backenstraß, der das Institut für Klinische Psychologie leitet.

 

Zunächst wollte Lederle von den beiden Psychologen und Psychotherapeuten wissen, welche Rolle Glück bei der Behandlung seelisch kranker Menschen spielt. Die ernüchternde Antwort der Experten: Die Menschen, die psychotherapeutisch behandelt werden müssen, sind meist so verzweifelt und tief verängstigt, dass kein Psychotherapeut auch nur daran denken würde, von Glück zu reden. „Das wäre Zynismus“, merkt Bürgy an. Erst gegen Ende einer Behandlung könne man auch positive Begriffe und Gefühle einbringen, etwa von Ressourcenaktivierung oder Kraftquellen reden. Aber Glück – nein, diesen Begriff wird wohl jeder Psychotherapeut im Umgang mit seinen Patienten meiden. Und so verwundert es nicht, dass der Begriff in der psychiatrischen Fachliteratur praktisch keine Rolle spielt.

Immer wieder wird im Verlauf der Veranstaltung deutlich, wie schwierig es ist, sich medizinisch und psychologisch, aber auch neurowissenschaftlich dem Glück zu nähern. Matthias Backenstraß bringt es auf den Punkt, als er an eine frühere Veranstaltung in derselben Vortragsreihe erinnert, bei der es um Angst ging: „Als ich damals über Angst reden durfte, war ich irgendwie glücklich. Aber jetzt über Glück zu reden, macht mir irgendwie Angst.“

Schwaben sagt man nach, sie bruddelten zu viel

Der Beifall im prall gefüllten Saal lässt erahnen, dass es manch einem Besucher ähnlich gehen mag – getreu dem Motto: Über Glück redet man besser nicht, sonst könnte es verschwinden. Auch Suso Lederle spricht diese insbesondere im Schwabenland verbreitete Mentalität an: „Ein Schwabe kann nun mal nur sagen ,es geht so’ und beschreibt damit bereits die für ihn höchste vorstellbare Stufe von Glück“, berichtet er aus seiner Erfahrung – wobei er betont, kein Schwabe zu sein.

„Wir tun uns schwer mit dem Begriff Glück“, gibt Martin Bürgy unumwunden zu. Und er berichtet, dass Psychologen und Psychotherapeuten lieber von basaler Zufriedenheit, erfülltem Leben, Fähigkeit zur Freude, Stressbewältigung und Anpassung reden. Auch der englische Begriff „Wellbeing“ fällt häufig an diesem Abend – was sich mit Wohlbefinden oder Wohlergehen übersetzen lässt.

Auch die neurowissenschaftlichen Forschungsergebnisse zu diesem Thema sehen die beiden Experten mit einer gewissen Skepsis. Klar gehen in Experimenten gewisse Gefühle – darunter auch Glück – mit verstärkten Aktivitäten in bestimmten Hirnregionen einher. Und immer wieder werden bestimmte Botenstoffe mit Glücksgefühlen assoziiert, etwa Serotonin oder Oxytocin, das insbesondere bei stillenden Müttern Glücksgefühle und – damit verbunden – die Bindung zum Säugling stärken soll. Immer wieder zitiert werden auch die Endorphine, die Glücksgefühle hervorrufen können.

Aber inwieweit sich hier Forschungsergebnisse auf den einzelnen Menschen übertragen lassen, ist eine andere Frage. Die Psyche sei nicht nur Gehirn ohne Körper, geben die beiden Fachleute zu bedenken – und sie sei in ein soziales Gefüge eingebettet. So sitze auch das Glück nicht in irgendwelchen Hirnregionen. Eine große Rolle spielt auch die genetische Ausstattung eines Menschen, wobei unklar ist, wie groß der Einfluss der Gene ist und wie bedeutsam die Einwirkungen der Umwelt sind. Die Forschung sei hier in vollem Gang, „aber wie das alles funktioniert und ineinandergreift, das wissen wir noch nicht so genau“, räumt Backenstraß ein.

Für sein Glück kann man einiges tun

So ist es eine der Botschaften des Abends, dass man nicht auf irgendwelche Glückspillen vertrauen, sondern sich Gedanken machen sollte, wie man zu einem glücklicheren Leben kommen könnte (siehe 2. Seite). Klar ist, dass die „sehr hohe Beschleunigung des Lebensalltags“, wie es Bürgy formuliert, also der Druck, immer Leistung bringen zu müssen und der Zwang zum stetigen Wachstum, ihren Tribut fordern. „Wir sehen dann die Schäden“, sagt Bürgy. Der Zwang, immer den hoch gesteckten Zielen nachhecheln zu müssen, führe dazu, dass man sich selbst aus den Augen verliere – und damit die Frage, was glücklich mache.

Bei der Suche nach dem Glück darf man aber auch die Kehrseite nicht aus den Augen verlieren: „Wir brauchen auch negative Emotionen, beispielsweise wenn wir etwas nicht erreichen“, betont Backenstraß. Glück sei nun einmal kein Dauerzustand – „das sollte man auch gar nicht anstreben“. Nur die Balance zwischen Glück und negativen Erfahrungen erzeuge auf Dauer Wohlbefinden.

Dass es dabei auch wichtig sein kann, auch auf kleine Dinge zu achten, wird in der Diskussion mit dem Publikum deutlich. „Kleinteiliges Glück“, nennt eine Zuhörerin die Fähigkeit, sich beispielsweise über das Zusammensein mit Kindern oder einen Spaziergang in einer schönen Naturlandschaft zu freuen. Wichtig für das Wohlbefinden ist offensichtlich auch, nicht mit dem Leben zu hadern, wenn man Fehler gemacht hat, sondern daraus zu lernen und es künftig besser zu machen.

„Glück ist nicht Glücksache, jeder kann selbst etwas dafür tun“, fasst Suso Lederle am Ende die Erkenntnisse der Veranstaltung zusammen. Dass dies nicht einfach und vor allem dann kaum möglich ist, wenn schlimme Ereignisse wie schwere Krankheit oder der Tod naher Angehöriger verkraftet werden müssen, das ist die andere Botschaft dieses Abends.

Fünf Wege zum Glück

1. Kontakte
Wenn man Menschen fragt, was zu einem glücklichen Leben gehört, stehen die Familie und gute Freundschaften sowie ganz allgemein soziale Kontakte an oberster Stelle. Mithin dürfte es dem Glücklichsein sehr förderlich sein, solche Beziehungen auch zu pflegen.

2. Aktivität
Als wichtig für ein glückliches Leben werden auch sportliche Aktivitäten angesehen sowie wie Dinge, die dazu beitragen, die Seele „baumeln zu lassen“ – beispielsweise Musik hören oder die Natur genießen.

3. Meditation
Entspannungsübungen und Mediation tragen nach Meinung von Experten ebenfalls zu einem glücklicheren Leben bei. Auch die Selbstachtsamkeit ist wichtig, also die Fähigkeit, eigene Gefühle wahrzunehmen.

4. Dankbarkeit
Sich am Abend zu fragen, was den Tag über gelungen ist und dafür dankbar zu sein, ist ebenfalls ein Beitrag zu einem glücklicheren Leben. Dabei kann es hilfreich sein, ein Dankbarkeitstagebuch zu führen. Dazu gehört auch die Dankbarkeit, die man durch sein Tun bei anderen Menschen hervorruft.

5. Geld
Die ökonomische Absicherung spielt eine wichtige Rolle. Aber nur bis zu einer gewissen Grenze leistet ein gesichertes Einkommen einen Beitrag zu einem glücklichen Leben. Darüber hinaus wird ein höheres Einkommen anstrengend – und oft genug zu anstrengend für ein wirklich glückliches Leben.