Die Sozialbürgermeisterin geht das Thema pragmatisch an, der Oberbürgermeister Guido Till lehnt die neue Schulart kategorisch ab – das hat Folgen für die gesamte Schulplanung der Stadt.

Göppingen - Unterschiedlicher könnte die Herangehensweise der beiden wichtigsten Protagonisten am Schulstandort Göppingen wohl nicht sein: hier die Sozialbürgermeisterin Gabriele Zull, die versucht, aus der Schulpolitik des Landes das Beste für die Stadt zu machen und sich nicht lange mit politischen Bewertungen desselben aufhält; dort der Oberbürgermeister Guido Till, der insbesondere den Ausbau der Gemeinschaftsschule vehement ablehnt und deshalb prinzipiell gegen Gemeinschaftsschulen in seiner Stadt votiert. Auf die Frage, wohin es mit dem Schulstandort Göppingen gehen soll, erhält man entsprechend unterschiedliche Antworten: Zull verweist auf das Schulentwicklungskonzept der Stadt, das nach wie vor gelte. Till sagt: „ Wir werden über dieses Gesamtpaket noch einmal reden müssen.“

 

Der Schulentwicklungsplan steht wieder zur Debatte

Der Schulentwicklungsplan ist erst im Februar im Gemeinderat vorgestellt worden und sieht unter anderem vor, die Ganztagesangebote an den Grundschulen auszubauen. Die Albert-Schweitzer-Grund- und Werkrealschule in der Innenstadt soll in eine Gemeinschaftsschule umgewandelt werden, und die Walther-Hensel-Schule – ebenfalls eine Grund- und Werkrealschule – soll in Zukunft mit der Uhland-Realschule kooperieren. Langfristig könnte auch aus dieser Kooperation eine Gemeinschaftsschule hervorgehen – bisher allerdings ist schon die Zusammenarbeit der beiden Schulen am Widerstand der Eltern gescheitert. Immer wieder ist in dem Konzept die Rede von Gemeinschaftsschulen und davon, dass es auf lange Sicht möglicherweise nur noch zwei weiterführende Schularten gebe: Gymnasium und Gemeinschaftsschule.

Doch jetzt sieht Till noch einmal Gesprächsbedarf, denn den Umbau der Schullandschaft möchte er „aus grundsätzlichen Überlegungen nicht mitmachen“. Seine kategorische Ablehnung der Gemeinschaftsschule sei erst in den vergangenen Monaten gereift, seit sich immer klarer zeige, dass die Landesregierung die Werkrealschulen und Realschulen durch Gemeinschaftsschulen ersetzen wolle. „Als Ergänzungsangebot hätte es mich nicht gejuckt, aber die Landesregierung kassiert erfolgreiche Schularten.“ Dagegen wehre er sich. Schließlich sei die Stadt der Schulträger und nicht nur eine Vollzugsbehörde. Er wolle die Akzeptanz der Werkrealschulen in der Stadt fördern und für sie werben und sie nicht in Gemeinschaftsschulen umwandeln. Deshalb will Till den Schulentwicklungsplan noch einmal überarbeiten.

OB und Schulbürgermeisterin stimmen unterschiedlich ab

Zull hingegen wartet darauf, dass es im Mai mit dem mehrfach angekündigten regionalen Schulleitplan des Landes losgeht und klare Vorgaben für die weitere Entwicklung kommen. „Die Regierung hat die Aufgabe, die Gemeinschaftsschule so weiterzuentwickeln, dass sie akzeptiert wird“, sagt sie. Und da müsse sich tatsächlich noch einiges tun. Ansonsten lautet ihre Devise: „Ich muss mit dem handeln, was ich gerade habe.“ Für sie sind das unter anderem die drastisch sinkenden Anmeldezahlen an den Werkrealschulen.

Das Ergebnis der unterschiedlichen Herangehensweise war erst jüngst im Gemeinderat zu besichtigen: Till hatte gegen eine Fusion der beiden Grundschulen im Stadtteil Faurndau gestimmt, weil sie im zweiten Schritt in eine Gemeinschaftsschule verwandelt werden sollten, Zull hatte dafür gestimmt.

„Mir geht es nicht um eine Zickigkeit gegenüber Frau Zull. Wir haben da einfach verschiedene Grundüberzeugungen, das muss eine Gesellschaft auch mal aushalten“, sagt Till dazu. Und Zull ergänzt: „Es ist schön, wenn in einer Verwaltung immer alle einer Meinung sind, aber so ist es halt nicht immer.“ Das letzte Wort in Sachen Schulentwicklung in Göppingen hat ohnehin der Gemeinderat. Der ist allerdings ebenso gespalten wie die Stadtverwaltung. Auch das war erst jüngst zu besichtigen, als die Fusion in Faurndau mit einer hauchdünnen Mehrheit abgelehnt wurde.

Kommentar: Nur Nein-Sagen hilft keinem

Eine Gesellschaft müsse unterschiedliche Sichtweisen auch mal aushalten, selbst innerhalb ein und derselben Stadtverwaltung, findet der Göppinger Oberbürgermeister Guido Till, und er hat natürlich Recht damit. Nur: was folgt daraus für die Schulpolitik in Göppingen?

Wenn der OB bei seiner kategorischen Ablehnung der Gemeinschaftsschulen verharrt und Vorschläge seiner eigenen Schulbürgermeisterin ablehnt, sobald das Thema ins Spiel kommt, dann blockiert sich die Verwaltung letzten Endes selbst. Dabei sollte sie der Motor der Schulentwicklung sein. Zwar hat der Gemeinderat das letzte Wort, aber die Verwaltung muss den Räten sinnvolle Konzepte vorlegen und Vorschläge machen, wie die Zukunft der Schulen vor Ort aussehen könnte und wie sie den Schülern optimale Chancen bieten können. Deshalb kann sie sich nicht hinter dem Votum des Gremiums verstecken.

Wenn sich der OB und die Schulbürgermeisterin nicht irgendwo in der Mitte treffen und ein Konzept entwickeln, hinter dem beide stehen, geben sie kein besseres Bild ab als die Landesregierung, deren wankelmütige Schulpolitik insbesondere Till kritisiert. Man darf unterschiedliche Sichtweisen und Ansätze haben. Aber gute Politik zeichnet sich dadurch aus, dass sie diese zu einem tragfähigen Ganzen verbindet. Diese Chance sollten die beiden ergreifen.