Bei der Gesellenprüfung der Floristen wird genau auf die Uhr geschaut. Aber auch für die Branche tickt die Uhr: dem Beruf geht der Nachwuchs aus.

Kreis Göppingen - Ein Meer aus kleinen Fuchsien, Veronika und Clematis steht in der Ecke. Die blaue Pracht darf sich erst am Nachmittag voll entfalten, wenn Martina Allgöwer sie zu einem großen lockeren Strauß binden wird. Die 24-Jährige, die bei Blumen Konzelmann-Höfer aus Eislingen in die Lehre geht, ist zusammen mit 20 weiteren Floristinnen in spe mitten in der Gesellenprüfung, die die Industrie- und Handelskammer, IHK, auf dem Stuttgarter Großmarkt abnimmt. Vor zehn Jahren war es noch dreimal so viel Nachwuchs.

 

Jedes Jahr werden es weniger Azubis

Jahr für Jahr stellten sich weniger Auszubildende den strengen Augen der Prüfer, und unter diesem Bewerbermangel leide die Branche, berichtet Regina Höfer aus dem Ausbildungsalltag. Die Floristikmeisterin weiß, dass die Gärtner damit nicht allein dastehen, denn der Nachwuchsmangel betrifft das Handwerk insgesamt. Unbeliebt sei die Floristik wegen der Samstagsarbeit und der geringen Löhne, vermutet Höfer zumal man eine Familie erst mit einem Meistergehalt ernähren könne. Wer allerdings nicht nur aufs Geld schiele, gut zupacken könne und handwerklich geschickt sei, könne mit der Floristik glücklich werden, sagt die Fachfrau. Geeignet sei der Beruf auch für Wiedereinsteigerinnen, weil es im Gegensatz zu vielen technischen und kaufmännischen Berufen unkompliziert sei wieder Anschluss zu bekommen. Höfer bringt es auf diesen Nenner: „Eine Rose bleibt eine Rose und die sich ändernden Moden, hat man schnell erfasst.“

Martina Allgöwer hat es besonders die Nähe zur Natur angetan. Aufgewachsen auf einem Bauernhof mit Milchwirtschaft und Ackerbau, hat sie sich nach dem Abitur und einem freiwilligen ökologischen Jahr gegen ein Studium und für die dreijährige Ausbildung entschieden. In der Gesellenprüfung kann die 24-Jährige jetzt ihre praktische Veranlagung voll ausleben.

Der goldene Schnitt spielt immer eine Rolle

Stilkunde, Gestaltungslehre und Pflanzenkenntnis sind ein Teil der Fächer, die im praktischen Prüfungteil eine Rolle spielen, wenn die Theorie in schön gestalteten Blumenschmuck für Tisch und Sarg, Raumteiler und Terrasse umgesetzt werden muss. Am Prüfungstag haben die Azubis Gelegenheit an Sträußen, bepflanzten und gesteckten Schalen und an einer Sonderaufgabe zu zeigen, wie geschickt sie die Wuchsform der Pflanzen in Bewegungsmuster übersetzen und die Proportionen nach den Gesetzen des goldenen Schnitts austarieren.

417 Euro kostet das Bukett für den Sarg

Beim Thema Sonderaufgabe hat sich Martina Allgöwer für Trauerfloristik entschieden, denn ihr Betrieb ist durch die Nähe zum Eislinger Friedhof auf dieses Geschäftsfeld spezialisiert. In der Prüfung muss sie für einen fiktiven 14-jährigen Jungen, der bei einem Unfall ums Leben kam, den Sarg schmücken. Hundert Minuten lang hat die junge Frau gelbe, orangefarbene und weiße Blüten in ein 1,60 Meter langes Bukett locker kreuzweise gesteckt. Die fröhlichen Farben und die unkonventionelle Steckweise sollen die jugendliche Ausgelassenheit des vermeintlichen Toten widerspiegeln, das hat die Nachwuchsfloristin auch ausführlich in Skizze und Beschreibung schriftlich niedergelegt und das 417 Euro teure Bukett in der mündlichen Prüfung in einem gespielten Verkaufsgespräch beworben. Eine große bepflanzte Schale ist in der Prüfung auch schon entstanden. Hier umspielen eine weiße Bougainvillea und andere Kübelpflanzen einen interessant geschwungenen Ast, den Allgöwer zusammen mit ihrer Ausbilderin bei einem Spaziergang im Wald gefunden hat.

Zwei Preise hat Allgöwer eingeheimst

Um 15 Uhr werden die Prüflinge mit einem Gongschlag aus der Anspannung befreit. Die Zeit ist um, und die Expertenteams verteilen die Punkte auf ihren Bewertungsbögen. Martina Allgöwer freut sich auf die Lossprechung durch die IHK, die die Azubis damit in die Berufswelt entlässt. Zwei Preise hat Allgöwer bei der Prüfung eingeheimst und ihre Ausbilderin ist stolz, den Kunden nun die Gesellenstücke im Laden präsentieren zu können .

Floristen gehen in Hohenheim und Göppingen zur Schule

Ausbildung:

Floristen können sich in der Region Stuttgart berufsbegleitend im dualen System an den Landwirtschaftsschulen Stuttgart-Hohenheim und Göppingen ausbilden lassen. Die Ausbildung dauert drei Jahre.

Vergütung:

Der Ausbildungstarifvertrag sieht gestaffelte Vergütungen vor, die von 525 Euro im ersten bis 625 Euro im dritten Lehrjahr reichen. Das Tarifeinstiegsgehalt für Gesellen liegt bei 1693 Euro, für Meister bei 2200 Euro. Meister sind zum Hochschulstudium befähigt.

Berufsaussichten:

Laut dem Fachverband sind die Aussichten für den Nachwuchs gut. Dank des derzeitigen Generationenwechsels bei den Fachgeschäften steigen die Chancen für die Selbstständigkeit.

Verband:

Mit rund 800 Mitgliedern ist der Fachverband Floristik Baden-Württemberg bundesweit die zweitgrößte Floristenvertretung.