Ehrenamtliche sind die tragenden Säulen des sogenannten begleiteten Umgangs. Angesichts steigender Fallzahlen hofft das Kinderschutzzentrum in Göppingen, weitere Menschen zu finden, die bereit sind, diese Aufgabe zu übernehmen.

Göppingen - Ständig geht die Tür auf, Kinder lachen und hüpfen im Flur herum: „Tschüss Mama! Hallo Papa!“ Freitagabends, wenn die meisten Menschen schon einen Gang herunterschalten, herrscht im Kinderschutzzentrum am Göppinger Schillerplatz Hochbetrieb. Mütter bringen ihre Sprösslinge, Väter holen sie ab. Begleitete Übergabe, nennt sich das. Was sich etwas ungelenk anhört, ist für die Kinder eine gute Sache. Sie müssen nicht befürchten, dass sie zum Zankapfel ihrer getrennt lebenden Eltern werden, wenn sie an den Wochenenden die Seiten wechseln.

 

Fallzahl hat sich binnen zehn Jahren verdoppelt

Seit mehr als 20 Jahren gibt es dieses Angebot des Kinderschutzzentums. Am Anfang wurde der sogenannte begleitete Umgang ausschließlich von Ehrenamtlichen getragen. Doch schon Ende 1995 wurde die Sozialarbeiterin Heike Maier für diese Aufgabe halbtags angestellt. Fünf Jahre später wurde ihre Stelle auf 75 Prozent aufgestockt. Doch die Ehrenamtlichen sind nach wie vor eine tragende Säule. Ohne sie wäre die Arbeit in diesem Umfang nicht möglich, wie Heike Maier sagt, bei der die Fäden zusammenlaufen und die auch die Beratungsgespräche führt. Außerdem fühlten sich die Eltern von den Ehrenamtlichen weniger beobachtet. Zurzeit stehen der Sozialarbeiterin 20 Frauen und zwei Männer zur Seite. Angesichts zunehmender Fallzahlen sollten es dringend mehr sein, sagt sie. Vor allem jüngere Leute fehlten. „Wenn da mal vier, fünf Leute nicht mehr können, dann sieht es ganz schlecht aus.“

90 parallel laufende Fälle betreut das Team des Kinderschutzzentrums zurzeit, im Jahr sind es 165. Vor zehn Jahren waren es etwa halb so viele. Die Ehrenamtlichen sind nicht nur bei sogenannten Übergaben dabei. Sie sind auch anwesend, wenn Väter oder in Ausnahmefällen auch Mütter ihre Kinder in den Räumen des Kinderschutzzentrums besuchen. Grundsätzlich sind sie gehalten, im Hintergrund zu bleiben und sich nur einzuschalten, wenn es Probleme gibt. Wenn die Männer etwa über die Mutter des Kindes schimpfen, dann intervenieren sie, oder aber sie geben Tipps, wenn die Väter nicht wissen, wie sie mit dem Kind umgehen sollen.

Ehrenamtliche werden geschult

Nicht immer gehe das ohne Konflikte ab, sagt Heike Maier. Für die Ehrenamtlichen könne das auch belastend sein. Deshalb gebe es regelmäßig Schulungen. „Es kann schon passieren, dass man persönlich beleidigt wird,“ sagt Marie Schulenberg. Dennoch möchte die 71-Jährige, der man ihr Alter nicht ansieht, dieses Ehrenamt nicht missen. Die Kinder spürten sehr schnell, dass der „Umgang“, wie sich die Ehrenamtlichen selbst bezeichnen, ihr „Schutzpatron“ sei. Das findet sie schön und sehr viel befriedigender, als sich nur um Äußerlichkeiten zu kümmern. „Wir sind das Nadelöhr, bei uns kommen sie von der einen Geschichte in die andere, wir können die Spannung weg nehmen.“ Die mit 32 Jahren jüngste ehrenamtliche Helferin, Gülbin Yesildal, die von Beruf Erzieherin ist, sieht das nicht anders. Sie ist schon seit zehn Jahren dabei und freut sich besonders, wenn die Dinge sich zum Besseren für die Kinder entwickeln.

Ein kleiner Junge hängt sich an seinen Vater. Ein ganzes Wochenende gehört nun ihnen. Auch der Papa strahlt. An die Zeiten ohne begleitete Übergabe erinnert sich der 35-Jährige nur ungern. Seine ehemalige Frau sei oft nicht pünktlich gewesen oder gar nicht gekommen. Doch mit Hilfe des Kinderschutzzentrums sei der Beginn eines gemeinsamen Wochenendes mit seinem sechsjährigen Sohn mittlerweile völlig entspannt. Und wenn es Gesprächsbedarf gebe, dann klinke sich Heike Maier ein. „Dann funktioniert das.“

Die Mutter einer siebenjährigen Tochter sieht das nicht anders. Die Übergabe gehe ganz ruhig vonstatten, seit sie ins Kinderschutzzentrum komme und ihren früheren Mann nicht mehr sehen müsse. Sie erinnert sich nur zu gut, wie die „bösen Szenen“ früher ihre Tochter völlig verstört haben. „Die Kleine bekam richtig Angst.“ Nun aber freue sie sich einfach auf ihren Papa.

Ein wichtige Lobby für Kinder

Der Göppinger Ortsverband des Deutschen Kinderschutzbundes wurde 1982 gegründet. Zehn Jahre später eröffnete das Kinderschutzzentrum. Ziel ist es, Kinder und deren Familien bei der Bewältigung von Problemen zu helfen.

Die Beratungsstelle des Zentrums unterstützt Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die missbraucht oder misshandelt wurden. Auch für Personen, die misshandeln, sind die Mitarbeiter eine Anlaufstelle. Fest verankert sind auch der begleitete Umgang, Elternkurse und das Projekt „Anna und Marie“, bei dem erwachsene Frauen Mädchen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen.

Ehrenamt
Eine tragende Säule der Arbeit des Göppinger Kinderschutzzentrums sind die ehrenamtlichen Mitarbeiter. Wer Interesse hat mitzuwirken, kann sich bei der Sozialarbeiterin Heike Maier unter der Telefonnummer 0 71 61/96 94 96 melden.