Die Aberlinstraße trägt den zweifelhaften Ehrentitel, die schlimmste Holperpiste von Göppingen zu sein. Dass dort Kinder mit dem Fahrrad stürzen, ist für die Stadt kein Grund zum Handeln.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Göppingen - Der blaue Fleck an Valentinas Oberschenkel hat den Durchmesser einer Espressotasse. Kurz vor ihrem sechsten Geburtstag ist das Mädchen schlimm mit dem Fahrrad gestürzt. Bei Kindern kommt das schon mal vor. Andererseits findet Papa Calogero Margagliotta, dass es allmählich nervt. „Bald jeden zweiten Tag passiert etwas“, sagt er. Und das liegt nicht am mangelnden Gleichgewichtssinn der Kinder, die vor seiner Haustür spielen. Es liegt vielmehr an der Straße, wobei sie diese Bezeichnung eigentlich überhaupt nicht verdient.

 

Wie soll man hier Schnee schippen

„Die Aberlinstraße“, so erfuhr Margagliotta neulich von seinem Postboten, „ist die zweitschlechteste Straße von Göppingen.“ Die schlechteste sei die Feldstraße. Der Mann muss es wissen, schließlich kommt er beruflich viel herum. Doch selbst die Feldstraße wurde inzwischen neu gemacht, weshalb der zweifelhafte Ehrentitel nun getrost an die Aberlinstraße weitergereicht werden kann. Dort wurde immer nur vom Bauhof ausgebessert, wobei er dies inzwischen offenbar aufgegeben hat. Teerflicken aus fünf Jahrzehnten formen eine Holperstrecke, an der Profi-BMX-Fahrer ihre Freude hätten. Das Durchschnittsschlagloch ist zehn Zentimeter tief. Bei Dunkelheit kommen hier auch Erwachsene leicht ins Straucheln. Und – daran denkt Margagliotta selbst in diesen heißen Tagen mit Grausen: „Wie soll ich hier eigentlich Schnee schippen?“

In der Rangliste zur schlechtesten Straße aufgestiegen

Den von der Stadtverwaltung groß beworbenen Schlaglochalarm hat Margagliotta ausgelöst und im Bauamt vorgesprochen. Auch die Nachbarn waren schon dort. Geholfen hat es nichts. Selbst die Fürsprache des Piraten-Stadtrats Michael Freche dürfte daran auf absehbare Zeit nichts ändern. Der Zustand der Straße sei verkehrsgefährdend, schrieb Freche, der übrigens selbst in der Feldstraße wohnt, in einem Brief an den Oberbürgermeister Guido Till. Gewiss handele es sich nur um eine Wohnstraße, so Freche. Dennoch seien doch auch die Menschen in der Aberlinstraße treue Steuerzahler der Stadt.

Keine Priorität mangels Verkehr

Inzwischen hat die Antwort des OB das Rathaus verlassen, und darin erfahren Freche und Margagliotta immerhin in einer Hinsicht Tröstliches: Aufgrund der regelmäßigen Straßenkontrollen sei auch dem städtischen Tiefbauamt der Zustand der Straße bekannt, so der OB. Und auch darin herrscht Einigkeit: Frostschäden, Verdrückungen und alte Aufgrabungen hätten dazu geführt, dass in der Aberlinstraße auch nach Ansicht der Stadt „nur eine flächige Sanierung in Frage“ komme. Allerdings könne diese „wegen der vielen zwingend notwendigen Straßenerneuerungen im Stadtgebiet nur mittelfristig“ – also erst einmal gar nicht – in Aussicht gestellt werden. Schließlich seien die Mittel im Göppinger Straßenbelagsprogramm begrenzt, weshalb weitere Kriterien, insbesondere die Verkehrsmenge, der Bus- und Radverkehr, der Lärmschutz und die Verkehrssicherheit bei der Auswahl der Straßen berücksichtigt würden.

Die Nachbarn helfen sich notgedrungen selbst

Würden also mehr Autos in der Straße fahren, wäre der Bautrupp schon da. Spielende Kinder scheinen für das Straßenbelagsprogramm der Stadt Göppingen indes kein Kriterium zu sein. Dafür greifen die Anwohner inzwischen zur Selbsthilfe. Wer für Bauarbeiten im eigenen Haus einen Sack Zement aufmacht und etwas übrig hat, der füllt damit das ein oder andere Loch im Straßenraum. Der Flickenteppich auf der Straße wird dadurch noch ein wenig bunter. Doch Hauptsache, auf die Knie der Kinder muss dafür das ein oder andere Pflaster weniger geklebt werden.