Der streitbare Felix Müller war mehr als 30 Jahre lang Dekanatsreferent in Göppingen. Auch im Abschiedsinterview nimmt er kein Blatt vor den Mund.

Göppingen - Priester kommen und gehen, Felix Müller ist stets geblieben. Der Dekanatsreferent des katholischen Dekanats Göppingen-Geislingen hat in seinen mehr als 30 Jahren Amtszeit das Leben in den Gemeinden mitgestaltet. Und der streitbare Katholik wäre nicht er selbst, würde er zum Abschied nicht auch kritische Worte finden.
Grüß Gott Herr Müller, scheiden Sie denn nach so langer Zeit mehr mit einem lachenden oder mehr mit einem weinenden Auge aus dem Berufsleben?
Der Abschied fällt schon schwer. Ich habe meine Arbeit mit viel Herzblut gemacht, viele Ideen und Vorstellungen einbringen können und darf im Rückblick auch sagen, dass das meiste doch gar nicht so schlecht war. Ich habe mir mit meiner offenen Art sicher auch mal Ärger an Land gezogen, doch insgesamt muss ich sagen, die Aufgabe war schön, das war schon meins.
Ärger ist das Stichwort. Sie haben sich zum Abschied erneut Ärger an Land gezogen.
Ich bin halt emotional und habe mich geärgert, dass es bis heute keinen Nachfolger gibt. Die Verwaltung hat es nicht geschafft, die Stelle attraktiv auszuschreiben. Ich hätte meinen Nachfolger gerne eingelernt. Dass ich das bereits in einem Presseinterview so geäußert habe, fanden die Kollegen in der Personalabteilung nicht so gut.
Und Sie haben niemanden aus Rottenburg vom Bischöflichen Ordinariat zu Ihrem Abschied eingeladen?
Zusammen mit meinen Mitarbeitern habe ich meine Abschiedsfeier selbst organisiert. Von Rottenburg kamen diesbezüglich keinerlei Hinweise oder Anfragen. Wenn das so ist, habe ich mir gedacht, dann lade ich auch nur die Menschen ein, die meinen Weg als Dekanatsreferent begleitet und mich unterstützt haben.
Es gibt auch eine Vorgeschichte?
Es gab die Querelen um die Pfarrerpersonalie in St. Maria und den Gesamtkirchenpfleger. Da hat sich die Kirchenverwaltung sehr schwerfällig gezeigt, und man hat mir vorgeworfen, ich hätte damals den Kirchengemeinderat aufgestachelt. Die Verwaltung ist aber einfach weit weg von dem, was die Menschen vor Ort bewegt.
Was die Menschen vor Ort bewegt, ist in Göppingen in dem kritischen Forum Thomas viel diskutiert worden.
Das war für mich ein echtes Highlight. Da war ich eifrig dabei. Wir haben einen Raum geschaffen für offene Gespräche und in mehr als 50 Veranstaltungen eigentlich alle „heißen Eisen“ angepackt, Bedeutung der Frau in der Kirche, Zölibat, Ökumene. Es waren immer mindestens 40 und manchmal aber auch bis zu 120 Teilnehmer dabei. Das zeigt, die Not ist groß. Die Leute warten darauf, dass man sie wahrnimmt und auf sie zugeht. Mit unserem Papst Franziskus ist aber auch Bewegung in die Kirche gekommen.
Sie selbst sind eigentlich Vermessungsingenieur. Wie kamen Sie denn zur Kirche?
Ich stand der Kirche und dem Glauben immer nahe. Geprägt hat mich meine Sturm- und-Drang-Zeit bei den Georgspfadfindern. Sich einbringen, sich zu Wort melden, die Schwachen schützen, das gefällt mir und liegt mir noch heute. Heute muss man ja Theologie studiert haben, um Dekanatsreferent zu werden. Aber deswegen sind die Leute auch nicht näher bei den Menschen.
Auf welche Projekte der vergangenen 30 Jahre blicken Sie mit Stolz zurück?
Stolz ist so eine Sache, aber ich meine, gute Ansätze sind die Notfallseelsorge, die wir eingeführt haben, die Aktion Rückenwind für Kinder aus sozialschwachen Familien, das Netzwerk Arbeitswelt, früher die Betriebsseelsorge und die Pilgerwege, bei denen wir durch das Dekanat wandern und die Menschen unterwegs miteinander wunderbar ungezwungen ins Gespräch kommen.
Was wünschen Sie Ihrem Dekanat zum Abschied?
Vielleicht, dass der Dekan von seinem Pfarrbezirk freigestellt wird. Dann könnte er seine Ideen und Ressourcen ganz ins Dekanat einbringen. Darin sind uns die evangelischen Gemeinden voraus.
Uns was werden Sie selbst nun tun?
Ich werde mir eine Auszeit nehmen, Abstand gewinnen und dann schauen, welche neuen Wege ich gehen will.
Aber sonntags gehen Sie zur Kirche.
Das ist meine Tankstelle. Vierte Bank rechts in Wäschenbeuren, da finden Sie mich.